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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nennen pflegt, ja, es schien bereits ein bedeutender Hirschkäfer zu sein, der alle Anlagen zeigte, sich nach und nach in einen bekannten Vierhänder zu verwandeln. Es war nur heißer Wein, ohne alles Gewürz, den sie jetzt kosteten, aber er brachte sie dem ‚Seid umschlungen, Millionen!‘ sehr nahe; sie tranken bereits nur noch aus einem Glase, und der Mutesselim wischte sogar seinem Agha einmal den Bart ab, als einige Tropfen der herrlichen Arznei sich in den Wald desselben verlaufen hatten. Die dabei geführte Unterhaltung war diejenige zweier Personen, die im ‚edlen Kampfe voller Humpen‘ noch vollständige Laien sind: närrisch und kauderwelsch. Selbst ich, der ich nur tat, als ob ich trinke, wurde in Mitleidenschaft gezogen; denn der Mutesselim umarmte mich ein über das andere Mal, und der Agha hielt traulich seinen Arm um meinen Nacken geschlungen.
    Da erhob sich einmal der letztere, um eine neue Lampe für die rote Laterne zu holen. Er kam ganz glücklich in die Höhe, dann aber streckte er die Arme zuckend aus und trillerte unsicher mit den Knien wie einer, der zum erstenmal Schlittschuhe läuft.
    „Was ist dir, Agha?“ fragte der Kommandant.
    „Oh, Herr, ich bekomme das Baldyr tschekmisch (Wadenkrampf). Ich glaube, ich muß mich wieder setzen!“
    „Setze dich! Ich werde dir helfen!“
    „Kennst du ein Mittel?“
    „Ein sehr gutes. Setze dich!“
    Der Agha nahm wieder Platz. Der Kommandant richtete sich ein wenig empor und erkundigte sich mit liebevoller Herablassung:
    „In welcher Wade hast du den Krampf?“
    „In der rechten.“
    „Gib mir einmal das Bein!“
    Der Agha streckte es ihm hin, und sein Vorgesetzter begann, an demselben mit allen Kräften zu zerren und zu ziehen.
    „O jazik – o wehe, Herr; ich glaube, daß es doch in der linken ist!“
    „So gib dieses her!“
    Selim reichte ihm sein anderes Vehikel hin, und der Helfer in der Not zog aus Leibeskräften. Es war komisch-rührend, zu sehen, daß dieser hochgestellte Beamte, der gewohnt war, sich auch im allerkleinsten bedienen zu lassen, seinem Untergebenen mit so brüderlicher Bereitwilligkeit die Wade zog und klopfte.
    „Gut! Ich glaube, es ist nun weg!“ sagte der Agha.
    „So stehe einmal auf und probiere es!“
    Selim erhob sich und gab sich dieses Mal Mühe. Er stand kerzengrad. Aber mit dem Gehen! Ich sah es ihm an, daß es ihm war wie einem flüggen Vogel, der sich zum erstenmal der unsicheren Luft anvertrauen will.
    „Laufe einmal!“ gebot der Mutesselim. „Komm, ich werde dich unterstützen!“
    Er wollte sich mit der gewohnten Schnelligkeit aufrichten, verlor aber die Balance und kam sehr schnell in seine vorige Stellung zurück. Aber er wußte sich zu helfen. Er legte seine Hand auf meine Achsel und stand auf. Dann machte er die Beine breit, um eine festere Stellung zu bekommen, und starrte ganz verwundert auf die rote Lampe.
    „Emir, deine Lampe fällt herab!“
    „Ich glaube, sie hängt fest!“
    „Sie fällt, und das Papier brennt an. Ich sehe schon die Flammen zucken!“
    „Ich sehe nichts!“
    „Maschallah! Ich sehe sie fallen, und dennoch bleibt sie oben! Wackele nicht so, Selim Agha, sonst wirst du umstürzen!“
    „Ich wackele nicht, Effendi!“
    „Ich sehe es sehr genau!“
    „Du selbst wackelst, Herr!“
    „Ich? Agha, mir wird es sehr bange um dein System. Deine Nerven schieben dich hin und her, und die Verdauung ist dir in die Beine gesunken. Du schüttelst die Arme und schlingerst mit dem Kopf, als ob du schwimmen wolltest. Oh, Selim Agha, diese Medizin war zu herrlich und zu stark für dich. Sie wird dich zu Boden werfen!“
    „Herr, du irrst! Was du mir sagst, das ist mit dir der Fall. Ich sehe deine Füße tanzen und deine Arme hüpfen. Dein Kopf dreht sich rund herum. Effendi, du bist sehr krank. Allah möge dir Hilfe senden, daß das System deines Blutes nicht ganz und gar zugrunde gehe!“
    Das war dem Mutesselim denn doch zu viel. Er machte eine Faust und drohte:
    „Selim Agha, nimm dich in acht! Wer da sagt, daß mein System nicht in Ordnung sei, den lasse ich peitschen oder einstecken! Wallah! Habe ich denn den Schlüssel zu mir gesteckt?“
    Er fuhr sich nach dem Gürtel und fand das Gesuchte.
    „Agha, mache dich auf und begleite mich! Ich werde jetzt das Gefängnis untersuchen. Emir, deine Medizin ist wirklich wie die Milch des Paradieses; aber sie hat deinen Magen umgedreht; du willst immer mit dem Kopf nach unten. Erlaubst du, daß wir gehen?“
    „Wenn es dein Wille ist,

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