Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Stufen, Agha!“
    „Ja, das sind sie. Falle nicht, Emir! Du warst noch nie in diesem Haus; ich werde dich sehr sorgfältig leiten.“
    Er hing sich schwer an mich, so daß ich ihn die mir unbekannte Treppe förmlich emportragen mußte.
    „Jetzt sind wir oben. Wo ist die Stube des Sergeanten?“
    „Rede leiser; ich höre alles! Rechts die erste Tür ist es.“
    Er zog mich fort, aber gradaus statt nach rechts; ich schwenkte ihn also herum und fühlte nach einigen Schritten die Tür, welche ich tastend untersuchte.
    „Ich fühle zwei Riegel, aber kein Schloß.“
    „Es gibt keins.“
    „Die Riegel sind vorgeschoben.“
    „Dann sind wir am Ende doch in ein fremdes Haus geraten!“
    „Ich werde öffnen.“
    „Ja, tue es, damit ich erfahre, woran ich mit dir bin!“
    Ich schob die schweren Riegel zurück. Die Tür ging nach außen auf. Wir traten ein.
    „Gibt es ein Licht in der Stube des Sergeanten?“
    „Ja. Die Lampe steht mit dem Feuerzeug links in einem Mauerloch.“
    Ich lehnte ihn an die Wand und suchte. Das Loch nebst dem Nötigen wurde entdeckt, und bald hatte ich die Lampe angebrannt.
    Der Raum war eng und klein. Eine Binsenmatte lag auf der Diele; sie hatte als ‚Möbel für alles‘ zu dienen. Ein zerbrochener Napf, ein Paar zerrissene Schuhe, ein Pantoffel, ein leerer Wasserkrug und eine Peitsche standen und lagen auf dem Boden herum.
    „Nicht da! Wo steckt dieser Mensch?“ fragte der Agha.
    „Er wird bei den Arnauten sein, die auch hier zu wachen haben.“
    Er nahm die Lampe und wankte voran, stieß aber an den Türpfosten.
    „Schiebe mich nicht, Emir. Komm, halte die Lampe; ich will dich lieber führen, sonst könntest du mich die Treppe hinabwerfen. Ich liebe dich und bin dein Freund, dein bester Freund; darum rate ich dir, nie wieder diese persische Arznei zu trinken. Sie macht dich ja ganz gewalttätig!“
    Ich mußte allerdings einige Gewalt anwenden, um ihn unbeschädigt hinabzubringen. Als wir vor der bezeichneten Tür anlangten, war auch sie verschlossen, und als wir sie öffneten, fanden wir auch diesen Raum leer. Er glich mehr einem Stall als der Wohnung eines Menschen und ließ sehr Trauriges über die Asyle der Gefangenen erraten.
    „Auch fort! Emir, du hattest recht. Diese Schurken sind fortgelaufen, statt zu wachen. Aber sie sollen lernen, mich zu fürchten. Ich lasse ihnen die Bastonade geben; ja, ich lasse sie sogar aufhängen!“
    Er versuchte, die Augen zu rollen, aber er brachte es nicht fertig; der Wein wirkte je länger desto kräftiger; sie fielen ihm zu.
    „Was tun wir nun?“
    „Was meinst du, Emir?“
    „Ich an deiner Stelle würde warten, um die Arnauten so zu empfangen, wie sie es verdient haben.“
    „Freilich werde ich dies tun. Aber wo warten wir?“
    „Hier oder oben.“
    „Hier. Ich steige nicht erst wieder hinauf; du wirst mir zu schwer, Effendi. Sieh, wie du wankst! Setze dich nieder!“
    „Ich denke, wir wollen die Gefängnisse inspizieren?“
    „Ja, das wollten wir“, sagte er ermüdet. „Aber, diese Menschen sind es nicht wert. Es sind lauter Spitzbuben, Diebe und Räuber, Kurden und auch ein Araber, welcher der Schlimmste von allen ist.“
    „Wo steckt dieser Kerl?“
    „Hier nebenan, weil er am schärfsten bewacht werden soll. So setze dich doch!“
    Ich ließ mich neben ihm nieder, obgleich der Boden nur aus hartgestampftem Lehm bestand und den höchsten Grad von Unreinlichkeit zeigte. Der Agha gähnte.
    „Bist du müde?“ fragte er mich.
    „Ein wenig.“
    „Darum gähnst du so. Schlafe, bis sie kommen. Ich werde dich wecken. Allah illa Allah, du bist ganz schwach und unzuverlässig geworden! Aber ich werde es mir so bequem wie möglich machen.“
    Er streckte sich aus, stemmte den Ellenbogen auf und legte den Kopf in die Hand. Eine lautlose Stille trat ein, und nach einer kleinen Weile sank der Kopf vollends nieder – der Herr des Gefängnisses schlief.
    Wie oft hatte ich gelesen, daß ein Gefangener durch die Berauschung seiner Wächter befreit worden sei, und mich über diesen verbrauchten Schriftstellercoup geärgert! Und jetzt befand ich mich in voller Wirklichkeit infolge eines Rausches in dem Besitze aller Gefangenen. Sollte ich dem Haddedihn Tor und Tür öffnen? Das wäre wohl unklug gewesen. Wir waren nicht vorbereitet, augenblicklich die Stadt zu verlassen. Am Tor standen Wachen, welche sicher Verdacht geschöpft hätten. Auf den armen Agha wäre die ganze Schuld gefallen und – ich mußte ganz offen als der Täter

Weitere Kostenlose Bücher