13 kleine Friesenmorde
Schnauzbart.
Der Hintergrund zeigte einen leicht ansteigenden Hügel mit einem Farmhaus und Weiden, auf denen Kühe grasten.
Harald Feeken las die fett gedruckte Überschrift des Artikels. »Ich scheue keine Kosten. Mit Lufthansa nach San Francisco. Unterkunft für eine Woche im Hotel ?Amsterdam? am Nob-Hill.«
Ihm stockte der Atem. Er blickte seine Frau fragend an.
»Das hat mit deinen Vorfahren zu tun«, sagte sie und rührte mit dem Holzlöffel im Topf, dem der Duft von Erbsensuppe entstieg.
Harald Feeken las.
»Friesischer Kurier. 29.03.1992. Diese Auslosung verspricht der in den Staaten anerkannte Historiker der ?University of California?, Professor Henry
Feeken, demjenigen Leser unserer Zeitung, der, dabei handelt es sich nicht um einen Aprilscherz, wie eine Rückfrage ergab, ihm im Rahmen seiner
Ahnenforschung Hinweise auf die örtliche Herkunft seines auf dem Foto abgebildetenGroßvaters Ino Feeken geben kann. Die Auswertungen seiner hinterlassenen Dokumente lassen darauf schließen, dass er aus dem ostfriesischen Raum eingewandert ist. Dafür spricht auch sein Geburtsort Marienhafe. Das Foto entstand 1893. Es zeigt im Hintergrund das Farmgebäude, in dem Feeken neben der Landwirtschaft eine Molkerei betrieben hatte. Die Feekens ließen ihre Kühe an der ?Laguna Seca? tränken und auf den Hügeln bis 1898 weiden. Heute durchkreuzen die Cole, Stanyan, Carl und Grattan Street das ehemalige Farmgelände. Es gehört zum Stadtgebiet von San Francisco.
Die Leser mögen verzeihen, dass wir diese Ortsangaben einfügen, die möglicherweise dazu beitragen, auf eine verwertbare Spur zu stoßen.
Der 68-jährige Professor Henry Feeken teilte uns zusätzlich mit, dass er bereit ist, Ostfriesland aufzusuchen, falls er entsprechende Hinweise erhält. Professor Feeken erfüllt einen Forschungsauftrag zur Dokumentation des Beitrages deutscher Einwanderer an der Besiedlung Kaliforniens. Dabei stieß er auf die Wurzeln seiner Vorfahren.«
Harald blickte auf.
»Interessant. Opas Eltern betrieben Landwirtschaft im kleineren Stil und bewohnten eine Kate in Upgant-Schott«, sagte er nachdenklich.
Seine Frau Annchen füllte die Teller mit der dampfenden Erbsensuppe. Sie fügten Maggi hinzu, verzehrten den schmackhaften Eintopf und tauchten ein in die Zeiten ihrer Kindheit.
»Ino ist kein amerikanischer Name«, meinte Annchen. »Die Arbeit an unserem Schiff geht dem Ende entgegen. Ich denke, wir gehen der Sache nach.«
»Morgen Abend, wenn die Kinder im Bett sind, durchwühlen wir den alten Fotokarton«, meinte Harald Feeken.
Nachdem »Oma« die Kinder zu Bett gebracht hatte, zündete Harald Feeken die Anthrazitwürfel im Kamin an, schob das trockene Anmachholz zurecht, legte Birkenscheite auf die züngelnden Flammen und sorgte für eine wohlige Wärme. Gesine und ihr Mann nahmen am Esstisch mit dem Blick auf das offene Feuer Platz. Annchen trug Gläser an den Tisch, legte Knabbereien in Schüsselchen aus, während Harald eine Flasche »Ürziger Gottesacker« entkorkte, sie Gesine anreichte, die das Glas der Mama und ihr eigenes füllte. Harald und der Schwiegersohn entschieden sich für das würzige, herbe norddeutsche Pils.
Die tief hängende Deckenlampe und eine zurechtgerückte Stehleuchte sorgten für helles Licht. Auf dem Tisch hatte Harald den alten Pappkarton gestellt, in dem behaglichen Wohnzimmer machte sich eine knisternde Spannung breit. Neugierde zeichnete die Gesichter an diesem Karfreitagabend.
Sie hatten alle den Zeitungsartikel mehrmals gelesen. Sie vermuteten, dass der gesuchte Auswanderer, der ihren Familiennamen und zusätzlich den ostfriesischen Vornamen Ino trug, verwandtschaftliche Beziehung zu seinen Vorfahren gehabt haben musste.
Bis dato hatte kein Feeken ein Interesse an den Familienunterlagen gezeigt und sich bemüht, einen Stammbaum zu erstellen.
Harald Feeken besaß verschwommene Erinnerungen an seinen Großvater Berend Feeken, dazu zählte dieBeerdigung an einem sonnigen Tag auf dem Friedhof vor der Kirche von Rysum. Seine Mama und erst recht sein Papa, der als Rechtsanwalt in Emden ein hohes Ansehen genossen hatte, waren als Bürger der Zeit, die auf Erneuerung und Fortschritt setzten, bereit, sich auf dem Wege zu neuen Ufern anzuschließen. Ihr Blick war in die Zukunft gerichtet und weniger auf Vergangenheit und Herkunft.
Für dieses Desinteresse zeugten die Briefmarken der Kaiserzeit, die auf dem Deckel des Kartons unbeschadet klebten.
Mit ein paar in diese Richtung
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