13 kleine Friesenmorde
Bevölkerung. Doch erst die Spur »87«, ein mit einer veralteten Schreibmaschine verfasster anonymer Hinweis, erregte die Aufmerksamkeit der Kripobeamten und überzeugte den Staatsanwalt.
Die Mitteilung umfasste nur wenige Zeilen. Der Text lautete: »Stationen eines mutmaßlichen Mörders! Busüberfall in Kirchdorf bei Hamburg! Flucht aus dem Erziehungsheim St. Gabriel Harburg! Einbruch in den Edeka-Markt! Messerstecherei vor der Disko! Opfer Sascha Tobinsky! Mord an dem Sportler Pawolitsch. Ein Name. Andy Mulart! Wohnhaft in Großheide, Papenweg!«
Gretje Poppinga heulte Rotz und Wasser, als die Beamten Andy in Handschellen abführten. Zu spät hatte sie sich um ihren Enkel bemüht. Sie litt unter Schuldgefühlen, während ihr Enkel bereits die Tat eingestanden hatte.
Da hatte alles gestimmt. Leugnen ergab keinen Sinn. Auf der Jacke des Opfers hatten sich Blutspuren befunden, die ihn nach der DNS-Analyse eindeutig als Täter überführten.
Ohne Zeugen hatte Gregor Pawolitsch ihm aufgelauert, als er zu seinem abgestellten Motorroller gegangen war. Der Deutschrusse hatte ihn aufgefordert, sich ihm zu stellen.
»Lass den Scheiß in Zukunft«, hatte er gesagt, war in Rechtsauslage gegangen und hatte den fairen Zweikampf mit leichten, nur angedeuteten Geraden gesucht.
Andy hatte sich zur Wehr gesetzt. Nach einer linken Geraden war ihm das Blut aus der Nase geschossen. Andy hatte rot gesehen, für Sekunden war er getaumelt, dann hatte er nach seinem Sprungmesser gegriffen und gezielt zugestochen.
Vor dem Amtsrichter, an der Seite seines Anwaltes, bekannte er sich schuldig. Er bat um mildernde Umstände.
»Meine Zukunft ist im Arsch! Heute bin ich der Ansicht, dass Ihre Kollegen es versäumt haben, mich ordentlich und härter zu bestrafen! Dann hätte ich wohl aufgehört, kriminell zu sein! Ich bereue nichts, nur dass ich Oma beklaut und enttäuscht habe«, sagte er.
»Und das Verhältnis zu Ihrer Mutter?«, fragte der Amtsrichter.
Andy lächelte geringschätzig. »Ich verdanke ihr meine Geburt und den ganzen Scheiß, der nun vor mir liegt«, antwortete Andy erregt.
Unter Berücksichtigung aller mildernden Umstände, die sein Verteidiger vortrug, fällte der Richter das Urteil. Er verhängte eine zehnjährige Freiheitsstrafe. Andy wurde der Vollzugsanstalt Lingen/Ems zugewiesen.
Rolling home, rolling home across the sea . . .
D r. Harald Feeken, Zahnarzt, verheiratet mit Annchen, geborene Feldkamp, setzte sich 1990 zur Ruhe, verkaufte seine Praxis in Emden, Zwischen den Sielen, an einen jungen Nachfolger.
Die Kinder der Feekens hatten studiert, ihr Sohn Enno unterrichtete als Lateinlehrer am Lessing-Gymnasium in Wolfenbüttel, ihr Sohn Ulfert arbeitete als Gynäkologe in Freiburg im Kreiskrankenhaus. Tochter Gesine war mit einem Juristen verheiratet, der als Beamter ein Amt in der Düsseldorfer Landesregierung bekleidete. Sie betreute die Kinder und arbeitete nebenberuflich als Lektorin für einen Schulbuchverlag.
Harald und Annchen Feeken verließen Emden und bauten in Norddeich einen großzügigen Bungalow, dicht am Deich gelegen. Im selben Jahr kauften sie in Nerja/Malaga an der Costa del Sol ein hübsches Apartment.
Sie überführten ihr Segelboot nach Norddeich, unternahmen im Sommer Törns zu den ostfriesischen Inseln bis nach Helgoland und hielten sich während der tristen Herbst- und Wintermonate in Spanien auf. Sie schätzten diesen Klimawechsel, der ihrer Gesundheit gut bekam und für Abwechslung nach einem arbeitsamen Leben beitrug.
Die rüstigen Mittsechziger fielen keiner Krankenkasse zur Last. Sie hatten ein hervorragendes Verhältnis zu ihren Kindern und Enkelkindern. Mitte März 1992 verschlossensie ihr Apartment in Nerja, überreichten – das entsprach den Abmachungen mit Señora Bernadette, der Inhaberin des Vermietungsbüros in der Calle Hermano de Carabeo, in der Nähe des Balcón de Europa gelegen – der resoluten Geschäftsfrau die Schlüssel ihres luxuriösen Apartments, das sich in der Calle Frigiliana in der Nähe des Strandes Chorillos befand.
Señora Bernadette besaß bereits Vorbuchungen bis Ende September für die Wohnung.
Die Feekens zog es zurück nach Norddeich, in die Nähe der Kinder und in das grüne Ostfriesland.
Am Donnerstag vor Ostern verließ Harald Feeken nach dem Frühstück den rot geklinkerten Bungalow mit dem gepflegten Vorgarten, in dem blühende Krokusse und knospende Tulpen die regenreichen Wintermonate in Vergessenheit geraten ließen.
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