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13 kleine Friesenmorde

13 kleine Friesenmorde

Titel: 13 kleine Friesenmorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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zielenden Bemerkungen über die Jahre seiner Kindheit, dem Einsatz als Flakhelfer auf dem Leichtkreuzer »A. L. Schlageter« in der Danziger Bucht kurz vor Kriegsende und seinen Erlebnissen als Kriegsgefangener der Engländer in Kopenhagen, unterstrich er seine Rolle als Zeitzeuge. Er hob das Glas. Nach einem »Prost« und einem Schluck aus den gefüllten Gläsern nahm er den Deckel vom Karton, den er, ohne den Inhalt genau zu kennen, seit zig Jahren als der ältere Sohn sorgsam aufbewahrt hatte.
    Da riefen eine Menge Postkarten aus den Häfen rund um die Welt, die Großvater Berend Feeken mit sauberen Zeilen in der schwer zu lesenden Sütterlinschrift an seine Lieben in Rysum geschickt hatte, Erstaunen hervor.
    Der Karton beinhaltete vergilbte Briefe, in denen er von überstandenen Stürmen berichtete, von einsamen Weihnachtsfeiern an Bord, fern der Heimat, die kundtaten, dass er sich in die Nähe seiner Lieben wünschte.
    Während sich nach einem sonnigen Tag die Dunkelheit über Norddeich legte, folgten Annchen, Harald,Gesine und der Schwiegersohn fasziniert den Stationen des Kapitäns, der mit seinem Großsegler »Hermann« Seegeschichte geschrieben hatte.
    Alte Fotos kamen zutage. Sie zeigten Berend Feeken mit zerfurchtem, ernsten Gesicht in zweireihig geknöpfter Kapitänsjacke mit breitem Kragen und den vier Ringen am unteren Jackenärmel.
    Auf dem Kopf die Schiffermütze mit dem eingestickten Zeichen der Reederei.
    Bärtige Männer mit gezwirbelten Schnäuzern erinnerten an seine Besatzungsmitglieder.
    Weitere Fotos machten die Runde. Sie trugen keine Namen und keine Daten. Unter ihnen befanden sich gestellte Fotos, die Berend Feeken in Pose vor der Cable-Car von San Francisco und vor dem »Raffles Hotel« in Singapur zeigten.
    Erst recht rief eine Gruppenaufnahme ihre Verwunderung hervor. Auf einer Bank vor einer Klinkerwand mit einem kleinen, eisernen Bogenfenster saßen alt aussehende Eltern, seitlich legten Buben mit fast geschorenen Köpfen ihre Hände auf ihre Schultern. Zwischen ihnen saß ein kleiner Junge.
    Die Frau trug eine eng anliegende Bluse mit ausgeworfenen Ärmeln und einen langen Rock. Ihr Mann im Gehrock mit Weste und einer Uhrenkette, im weißen Hemdkragen die schwarze Schleife. Die Kinder wirkten adrett in dunklen Stoffjacken, langen Hosen und weißem Stehbordkragen.
    Es fehlte bei der Bilderschau nicht an witzigen Bemerkungen. Annchen schenkte Wein nach und Harald Feeken füllte für sich und seinen Schwiegersohn den Biervorrat auf. Dabei brachte er aus seinem Arbeitszimmer eine Lupe mit. Nach einem Prost und frisch aufgelegtenBirkenscheiten hielt Harald Feeken die Lupe über das Foto der ihm unbekannten Gesichter, die sich weder verhärmt noch traurig der damaligen Prozedur des Fotografierens unterworfen hatten.
    Er bewegte die Lupe suchend über den Rand des Fotos und entdeckte eine verblasste Schrift. Er war mächtig aufgeregt, legte die Lupe ab, griff zum Bierglas, nahm einen kräftigen Schluck zu sich und unterbrach mit den Worten: »Sensationell! Wir kommen der Sache näher!« die Unterhaltung. Er folgte mit den Augen den schwachen, weißen Linien und entzifferte die in Sütterlinschrift verfassten Hinweise.
    »Berend Feeken, erster Sohn; Claas Feeken, Vater; Hinni Feeken, jüngster Sohn; Arnolde Feeken, Mutter; Ino Feeken, zweiter Sohn, vor ihrer Landstelle in Upgant-Schott.«
    Harald Feeken reichte Annchen die Lupe und das Foto.
    »Wer hätte das gedacht«, sagte sie und betrachtete durch die Lupe das zarte, freundliche Gesicht des cirka 6-jährigen Knaben Ino.
    Sie nahm einen Schluck Wein zu sich und reichte Lupe und Foto zur weiteren Begutachtung an ihre Tochter.
    Doch der Inhalt des Kartons, den einst die kaiserliche Post befördert hatte, sorgte für weitere Überraschungen in Form eines großen Briefumschlags aus festem Leinenpapier. Er enthielt einen Zeitungsartikel, der unbeschadet die lange Lagerung überstanden hatte.
    »Aufregend«, sagte Tochter Gesine.
    Harald Feeken widmete sich dem hinterlegten Bericht, erstaunt über die Tradition seiner Tageszeitung, die unter dem Datum des 8. Mai 1886 über den
     Untergangdes Schoners »Euridike« berichtete. Ihm stockte der Atem, als er auf den Namen Ino Feeken aus Upgant-Schott stieß, der als Koch zur Besatzung des unglücklichen Schiffes gehört hatte.
    Der Karton enthielt keine weiteren Hinweise, die darauf schließen ließen, dass der besagte Koch der Bruder seines Großvaters Berend Feeken, der Farmer und Molkereibesitzer,

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