13 kleine Friesenmorde
Wagen vor dem »Alten Weinhaus«, in dem die Kripo residierte, ab, warf einen Blick auf die blühenden Heckenrosen der Ludgeri-Kirche, betrat das Gebäude und ging zu seinem Dienstzimmer. Er öffnete das Fenster, ließ die stickige Luftabziehen, setzte sich an seinen Schreibtisch und studierte die Eingangspost. Da gab es nichts, was ihn nach seiner Abwesenheit in Verzug setzte. Er blickte auf, als sein Kollege Menke Loose das Dienstzimmer betrat.
»Hallo, gut erholt?«, fragte er spöttisch.
»Auch das! Unterbringung und Verpflegung bestens. Ich stecke voller Energie und Tatendrang! Hol bitte aus der Registratur die Akte Claudia Bolerius. Du erinnerst dich? Zu der Zeit sahst du noch ehrgeizig deiner Beförderung entgegen«, antwortete Gerrit Groener ironisch.
»Das ist doch nicht dein Ernst! Das ist eine Weile her«, antwortete Menke Loose überrascht.
»Genau sieben Jahre. Seitdem hat sich vieles verändert. Du bist verheiratet und Vater eines Sohnes, während die Computer ihren Siegeszug weiter fortgesetzt haben«, antwortete der Kommissar und lächelte verschmitzt.
»Der Kursus beim LKA zeigt erste Früchte«, meinte der jüngere Kollege.
Groener nickte, griff zum Telefon und wählte die Nummer des Staatsanwaltes.
Loose verließ das Dienstzimmer und suchte die Registratur auf. Er betätigte den Computer und fand zur fast verstaubten Akte.
Gegen 10 Uhr verließen sie das Revier, stiegen in den Dienstwagen und fuhren nach Aurich. Der Staatsanwalt hatte sie zu einem Gespräch eingeladen.
Diplom-Kaufmann Johannes Berkenkamp, 56, Leiter der florierenden »Bremer Costa del Sol Apartment Vertriebsgesellschaft« blickte überrascht auf, als seine Sekretärin nach Durchsicht der Eingangspost einSchreiben der Staatsanwaltschaft Aurich, das den Zusatz »Streng vertraulich« trug, verlegen auf seinen Schreibtisch legte. Es trug das Datum vom 27. Juni 1997.
Die Gesellschaft beschäftigte in Bremen auf der Bürgermeister-Schmidt-Straße im Weser-Haus auf der 4. Etage 14 Mitarbeiter. Johannes Berkenkamp nahm das Schreiben in die Hand, überflog das Aktenzeichen und las:
»Sehr geehrte Damen und Herren,
ich konnte in Erfahrung bringen, dass der kaufmännische Angestellte Tomco Bolerius seit etwa sieben Jahren für Sie im spanischen Nerja/Malaga als Verkaufsrepräsentant tätig ist.
Tomco Bolerius gilt als Zeuge in einem unaufschiebbaren Verfahren. Seine Aussagen sind für den weiteren Prozessverlauf von eminenter Wichtigkeit.
Im Rahmen der Bemühungen, Verwaltungskosten zu senken, liegt es in meiner Absicht, auf einen Besuch in Spanien zu verzichten. Da stellt sich die Frage, ob Ihr Angestellter für die nächste Zeit einen Heimaturlaub, sei es aus privaten oder geschäftlichen Gründen im Rahmen Ihrer betrieblichen Urlaubsplanung, antritt.
Ich bitte Sie um eine telefonische oder briefliche Mitteilung und mache Sie darauf aufmerksam, dass jede Kontaktaufnahme mit Ihrem Angestellten in dieser Sache als eine Behinderung meines amtlichen Auftrages anzusehen ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Alfred Akkermann
Staatsanwalt
Am Montag, dem 28. Juli, legte die »Frisia III« um 14.10 Uhr auf Juist an. An diesem herrlichen Sommertag, bei Temperaturen um die 26 Grad, kam der aufgefrischteWind mit Stärke 5 aus nordöstlicher Richtung und machte die Hitze erträglich. Juist zeigte sich von der Schokoladenseite. Die Urlauber bevölkerten die Strände, badeten in der Brandung, sonnten sich und dösten in den Strandkörben und Strandzelten. Möwen schossen auf der Suche nach Happen über die Strandburgen, in denen die Kleinen spielten. Ihre Piratenfähnchen flatterten im Wind.
Über die Straßen holperten die Pferdefuhrwerke. Die Hufe der Zugtiere und das Klirren der Gespannketten drangen in die Stille.
Auf der Terrasse des ehemaligen Inselbahnhofes speisten Gäste im Schatten der Werbeschirme der Brauerei. Staatsanwalt Akkermann und die Kommissare Groener und Loose trugen ihre Reisetaschen. Sie hatten in der Pension »Felicitas« bei der Witwe Bulker ein Apartment gebucht, das am Freitag drei Mitarbeiter des Amtes für Küstenschutz verlassen hatten. Die Bezirksregierung Weser-Ems zahlte für die Nutzung eine angemessene Jahresmiete. Die 68-jährige Elske Bulker trug ihr ergrautes Haar im Pagenschnitt. Sie hatte ein feines, sonnengebräuntes Gesicht mit spitzer Nase und schmalen Lippen. Sie war schlank und wirkte jugendlich in Jeans und einem saloppen pinkfarbenen Polohemd. Ihre knochigen Finger zierten Ringe. Sie
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