13 kleine Friesenmorde
Hände hinterlassen. Den recherchierenden Kriminalbeamten stellte sich die Frage, warum der Mörder die Kleidung des Opfers vom Tatort entfernt an der Bank im Wicher, dort wo sich der Neue und der Kaakweg kreuzten, abgelegt hatte, wobei der Anorak des Opfers fehlte, der auch späterhin nicht auftauchte.
Claudia Bolerius war vom Breiten Weg abgezweigt und hatte sich für den Heimweg über die Waldroute entschieden. Abgesehen von der Dunkelheit hatte sie dabei keine weiteren Nachteile in Kauf genommen. Entfernungsmäßig gab es da keine wesentlichen Unterschiede.
Die Beamten leiteten die Wäsche und Bekleidungsstücke der Toten an das kriminaltechnische Labor des LKA weiter. Die Untersuchungen brachten keine verwertbaren Ergebnisse. Der Slip, BH, Hemd, Bluse, Söckchen, Jeans und die Schuhe der Claudia Bolerius wanderten, vom Computer erfasst, fürs Erste in die Asservatenkammer des Amtsgerichtes in Aurich.
Die Aufklärungsarbeit gestaltete sich schwierig. Es gab keine Zeugen. Da lag der Verdacht nahe, dass Tomco Bolerius, der sich zur Tatzeit aus besagten
Gründen in der Klemme befand, finanzielle Regressansprüche befürchtete, wegen des Konkurses seiner Firma nicht nur arbeitslos geworden war, sondern auch
wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Mitschuldpsychisch litt. Hatten diese nicht wegzuleugnenden Tatsachen zu ehelichen Streitigkeiten geführt? War der tüchtige, hoch dotierte Angestellte beim Sturz vom hohen Ross ausgerastet?
Hatte er nicht verkraftet, dass seine Frau Claudia mittlerweile als Teilhaberin der alternden Mutter dabei war, ein Vermögen anzusammeln? Diese Argumente beschäftigten die Kripobeamten und den Staatsanwalt.
Recherchen auf den Inseln führten zu keinen weiteren Erkenntnissen. Da war nicht die Rede von einer jungen hübschen Sekretärin. Niemand traute Tomco Bolerius die Gewalttat zu.
Kommissar Groener nahm an der Beisetzung des Opfers auf dem Nordfriedhof teil. Die alte Frau Bolerius und ihr Sohn zerflossen im Leid vor dem Grab. Es war schrecklich anzusehen gewesen.
Und dennoch beschäftigte Groener die Frage, warum die junge Frau, deren Leichnam im teuren Sarg, den die schwarz gekleideten Männer mit den Prinz-Heinrich-Mützen unter der Anteilnahme einer großen Trauergemeinde in die Gruft an Leinenbändern senkten, ihrem Peiniger nicht einen Kampf auf Leben und Tod geliefert hatte? Hatte der Täter sie vom Fahrrad gerissen, gewürgt, sich an ihr vergangen, das Rad zum Schießstand gebracht, die Kleidungsstücke zur Bank getragen? Oder? Er, Kollege Loose und der Staatsanwalt waren hundertfach diesen Überlegungen gefolgt.
Sie hatten Tomco Bolerius verhört. Seine Aussagen stimmten mit denen seiner Mutter überein. Sie klangen glaubwürdig. Er und Annchen Bolerius hatten sich zur Tatzeit in ihrer Wohnung aufgehalten, gemeinsam die Umsatzsteuererklärung erstellt. Gegen 21 Uhr hatteTomco Bolerius den Steuerberater angerufen und um eine Auskunft gebeten.
Zum Alibi trug auch eine Nachbarin bei. Es handelte sich um Frau Caroline Tüttjers, 52, ihr Mann arbeitete als Fernfahrer bei der Spedition »Waring-Logistik« in Norden. Er war am frühen Abend von seiner Tour aus Mannheim zurückgekommen, hatte den MAN-Sattelschlepper auf dem Betriebsgelände abgestellt, war nach Hause gefahren und hatte sich mit einer Grippe ins Bett gelegt.
Caroline Tüttjers hatte sich das Fieberthermometer ausgeliehen.
Der Staatsanwalt schloss die Akte. Das bombensichere Alibi, bestätigt nicht nur von der Mama, sondern auch vom honorigen Steuerberater, der den Anruf zu Protokoll gab, und von der in jeder Weise unbescholtenen Caroline Tüttjers, sprachen Tomco Bolerius frei von dem Verdacht, seine Frau Claudia an der Böschung des Hager Tiefes erwürgt zu haben. Für die Statistik ein weiterer unaufgeklärter Fall eines begangenen Kapitalverbrechens.
Für Kommissar Groener und seinenAssistenten Loose hinterließ der Fall einen bitteren Nachgeschmack, während Tomco Bolerius auch vom Konkursgericht entlastet wurde. Ihm konnte keine Manipulation nachgewiesen werden. Das Ende der »Eike Caspersen GmbH« war die unvorhersehbare Folge der Insolvenz der Bauträgergesellschaft »Oderhoff und Offermatt AG«.
Annchen Bolerius hatte gesundheitlichen Schaden an den Ereignissen genommen. Sie verkaufte das Geschäft samt Wohnhaus an den Kapitän der »Anse«, den ehemaligen Arbeitgeber ihres Mannes, erwarb auf Juist auf der Wilhelmstraße im Haus »Hannover« eine Eigentumswohnungund verließ Norden, um
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