13 kleine Friesenmorde

seiner Zigarette.
    »Er überlässt es uns, die Frage zu beantworten«, sagte der Kommissar.
    »Und die Antwort?«, fragte Brooken und drückte die Kippe in den Ascher.
    »Die Kugel, die dem Leben des bis dato unauffälligen, tüchtigen Ingenieurs und Sportschützen ein Ende setzte, wurde aus einer gewissen Entfernung abgefeuert«, stellte der Kommissar fest.
    »Mord statt Selbstmord?«, fragte der Staatsanwalt und griff zur Teetasse.
    Ihben hob fragend die Schultern an. Er hatte schon im Vorfeld an den Aussagen des Baltrumer Pensionsbesitzers gezweifelt. Ihben reichte dem Staatsanwalt die Fotos.
    »Da gibt es weitere Ungereimtheiten«, sagte er.
    Ubbo Brooken studierte nachdenklich die scharf geschossenen Aufnahmen des Reporters.
    Ihben erhob sich, trat an die Garderobe, entnahm ihr einen leeren Bügel, stellte sich im Zimmer in Position, hielt ihn wie eine Waffe in der Hand und setzte ihn an seine Stirn.
    »Wenn ich jetzt abdrücke, falle ich dann nach vorne und lande mit ausgestreckten Armen auf dem Bauch?«, fragte er. »Oder sacke ich in einer Drehung zusammen?«
    »Eher das Letztere, nehme ich an«, sagte der Staatsanwalt.
    »Und wenn sich jemand verzweifelt und mutig auf den Mordschützen warf, ihn zu Bodens riss? Ich denke an Greta van Thun«, folgerte der Kommissar, brachte den Bügel zurück zur Garderobe, schenkte Tee nach, entnahm der Box eine Zigarette und rauchte hastig.
    »Die eigene Bedrohung, die Verzweiflung nach den Schüssen auf ihren heimlichen Geliebten, die auf sie gerichtete Waffe. Der Schock! Eine entsetzliche Situation«, antwortete Brooken.
    »Greta van Thun besaß einen Schutzengel. Nach der Version des Protokolls betrat ihr Vater das Zimmer. Claas van Thun bewegte nicht den Abzugsbügel. Er richtete die Waffe auf den alten Herrn, noch drei Kugeln befanden sich im Magazin. Wider Erwarten erschießt er nicht seine untreue Frau. Erst recht nicht seinen Schwiegervater. Das passt nicht in das Bild eines Amokschützen,der sich in seinem Wahn vorgenommen hatte, Tabula rasa zu machen«, sagte der Kommissar.
    Der Staatsanwalt schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
    »Ihben, um Gottes willen! Vielleicht begriff Claas van Thun beim Anblick des zu Tode erschrockenen, hilflosen Schwiegervaters, dass er Scheiße gebaut hatte, setzte sich die Pistole an die Schläfe und drückte ab. Schluss und Ende«, folgerte der Staatsanwalt.
    Der Kommissar spielte mit dem Feuerzeug.
    »Dabei verpasste er die Schläfe um wenige Zentimeter. Dem Untersuchungsbericht ist zu entnehmen, dass der Schuss aus einer nicht näher angegebenen Distanz abgefeuert wurde«, sagte der Kommissar.
    »Claas van Thun hatte die Nerven verloren. Er hatte nicht wie im Schützenhäuschen in Berum auf Pappscheiben mit Ringen gefeuert«, antwortete der Staatsanwalt.
    »Das sehe ich anders. Ein erfahrener Schütze wie er trifft ins Schwarze, erst recht, wenn ihn nur ein geschätzter halber Meter vom Ziel trennt«, sagte Ihben. Er blickte den Staatsanwalt herausfordernd an.
    »Einverstanden, ich teile Ihre Zweifel«, sagte Brooken. »Was hat es auf sich mit dem Projektil?«
    Der Kommissar lächelte schmal.
    »Es saß in der Wand in Kopfhöhe«, antwortete er.
    »Auch das gibt zu denken. Es durchschlug seine Nasenhöhle und den Wangenknochen. Daraus schließe ich, dass der Schuss in niedriger Höhe von unten nach oben abgefeuert wurde. Im Magazin saßen, wie gesagt, noch drei Kugeln. In seinem Eifersuchtswahn geht die Mathematik auf. Eine für seine untreue Greta, eine für den verhassten Schwiegervater und die letzte für sich.Doch er erschoss weder Greta noch den verhassten Alten und verfehlte selbst seine Schläfe«, sagte der Kommissar, entnahm dem Schreibtisch das scharf geschossene Foto der Pistole und reichte es dem Staatsanwalt.
    »Der Bericht des LKA steht noch aus«, sagte er. Er griff in die Schreibtischschublade, entnahm ihr die Lupe und hielt sie dem Staatsanwalt entgegen.
    »Eine bedenkliche Spur, die ich übersah«, fügte er hinzu.
    Brooken griff zur Lupe und betrachtete das Foto. »Ein langes Haar«, antwortete er überrascht.
    »Von Greta van Thun«, antwortete Ihben. »Sie trägt ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ich fand vor dem Kamin einen Haarring.«
    Er griff in die Schublade und reichte den von Plüsch umgebenen Gummiring dem Staatsanwalt.
    Brooken stülpte ihn über seinen Daumen, Zeige- und Mittelfinger.
    »Weder meine Frau noch die Schwiegertochter benutzen so ein Ding«, sagte er.
    »Das Ding bändigte