13 kleine Friesenmorde
Studiendirektorin.
»Bitte, ich bin es Edo schuldig! Sie müssen mitkommen!«, sagte sie erregt. Sie trug Jeans und zupfte mit der linken Hand an dem Troyer.
»Ihr Vater schenkte mir den Pullover, von dem ich mich nicht trennen kann«, sagte sie nervös.
»Frau Goselar, wir befinden uns auf dem Weg nach Norddeich«, warf Nanna Schöllhorn gefasst ein. »Wir wünschen Ihnen alles Gute. Sie müssen wie wir Papa vergessen.«
»Das fällt mir schwer – und die alten Dokumente!«, antwortete sie aufgebracht.
»Frau Goselar, bitte genauer«, antwortete Jesko van Loo höflich.
Die Alte machte einen verwirrten Eindruck.
»Sie laden uns zu einem Tee ein? Befindet sich Ihr Apartment in der Nähe?«, fragte Dr. Schöllhorn und blickte in das abgelebte Gesicht der ehemaligen Studiendirektorin, in dem er keinen Hinweis für Altersschwachsinn oder Senilität entdeckte.
»Nein, es ist nicht weit. Ich wohne in Trakt ?B?«, antwortete sie verärgert.
Wilma und Nanna war die Alte suspekt. Warum mischte sie sich ein? Sie waren nicht interessiert an weiteren Erinnerungen, die Papas Heimleben betrafen.
»Was hat es auf sich mit den Dokumenten?«, fragte Jesko van Loo.
»Sie sind Edos Sohn! Sie müssen sie an sich nehmen, bevor sie verloren gehen. Kommen Sie mit«, forderte sie im forschen Ton.
»Gnädige Frau, handelt es sich um alte Seekarten, die uns zu vergrabenen Schätzen auf einer einsamen Südsee-Insel führen?«, fragte Roggendorf ironisch.
»Junger Mann, ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt und erwarte von Ihnen den notwendigen Respekt. Soviel ich weiß, sind Sie ein Kollege«, wies sie Roggendorf zurecht.
»Frau Goselar, einverstanden, wir nehmen Ihre Einladung an«, sagte Jesko van Loo und bot der Alten seinen Arm an. Sie hakte sich ein, lächelte zufrieden und führte die Angehörigen des einzigen Mannes, den sie in ihrem langen Leben geliebt hatte, zu ihrem Apartment, löste sich vom Arm ihres Begleiters und öffnete die Tür.
»Bitte«, sagte sie. »Treten Sie ein.«
Im kleinen Korridor brannte das Licht. Seitlich neben der Tür zum Bad befand sich die Garderobe mit einem Spiegel. Die Wand zierte ein Ölgemälde. Es zeigte eine Szene aus dem alten Danzig. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen.
»Bitte, wenn Sie ablegen möchten«, sagte die Alte.
»Danke, uns bleibt wenig Zeit, wir müssen nach Norddeich«, warf Petra van Loo ein.
Sie betraten das Wohnzimmer. Frau Goselar hatteden Tisch gedeckt, das Geschirr trug das Dekor der Ostfriesischen Rose. Sie wies auf eine Couch und seitliche Sessel und rückte für sich einen Stuhl zurecht.
»Nehmen Sie bitte Platz«, sagte sie fahrig. »Ich bereite den Tee zu.«
»Frau Goselar, Sie sind ein Schlitzohr«, warf Dr. Schöllhorn ein.
»Sie werden den Besuch bei mir nicht bereuen!«, antwortete die Alte, fuhr mit der Hand durch ihr graues Haar und ging zur Küchenzeile.
Petra van Loo grinste belustigt, während Hanna und Wilma schwiegen.
»Frau Goselar, sind wir Ihre Geburtstagsgäste?«, fragte Dr. Schöllhorn ironisch.
»Nein, aber heute haben Sie Edos Asche der See anvertraut. Ein Ereignis, dem ich eine Seite in meinem Tagebuch widmen werde«, gab sie zurück. Sie trat aus der Küchenzeile und stellte eine Platte mit Butterkuchen auf den Tisch.
»Der Tee kommt gleich«, sagte sie.
»Aber . . . «, entfuhr es Wilma, die an ihre früh verstorbene Mama dachte.
»Kein Aber, ich bin es Edo schuldig!«
»Leider habe ich meine Kamera nicht mit«, bedauerte Roggendorf.
Die Alte trat an den Tisch. Sie hielt die Teekanne in der Hand.
Dr. Schöllhorn griff zum Feuerzeug und zündete das Teelicht an. Die Alte stellte die Kanne auf das Stövchen.
»Bitte nehmen Sie vom Kluntje«, sagte sie.
Sie bedienten sich. Die Alte schenkte den Tee aus. Sie wies auf den Sahnetopf.
»Bitte, den Butterkuchen habe ich im Café Heisegekauft. Er ist ganz frisch«, sagte sie und lächelte glücklich. Ihre Gäste nahmen vom Kuchen und verzehrten ihn mit Genuss, wie sie sah.
An der gegenüberliegenden Wand unterbrach eine Tür die mit Büchern voll gestopften Eichenregale. Das Apartment hatte den Zuschnitt wie Vaters Wohnung, wie Jesko van Loo feststellte. Auch Frau Goselar hatte den Fernseher auf einer Truhe seitlich vom Fenster positioniert. Die Couchwand zierten zwei Ölgemälde, die Jesko dem Wilhelmshavener Künstler Sommerfeld zuschrieb, der während seiner Pennälerzeit sein Zeichenlehrer gewesen war.
»Ach, ich werde vergesslich«, sagte Frau Goselar spaßig, ging zur
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