13 kleine Friesenmorde
Pax krängte leicht im Tidestrom.
Der Kapitän gesellte sich über die Brückentreppe zu ihnen. Er gab Jesko van Loo den Blumenstrauß. Der Gehilfe brachte die Urne und reichte sie dem Bestatter.
Am Heck flatterte die Fahne im Wind. Die Sonne schien. Ihre Strahlen spiegelten sich in der leichten Dünung.
Jesko van Loo entfernte das Papier des Blumenstraußes, verteilte die bunten Herbstastern an seine Frau und an seine Schwestern.
Sie standen im zügigen Wind an die Reling gelehnt, blickten mit feuchten Augen auf den Kapitän, der seine Mütze kurz vom Haar nahm.
Roggendorf schoss Fotos.
»Kapitän Edo van Loo, als junger Kollege erfülle ich die mir von deinen Angehörigen übertragene ehrenvolle Aufgabe und versenke die Urne mit deiner Asche im Meer, das dein Leben erfüllt hat. Wir werden deiner gedenken«, sprach er, verbeugte sich, blickte vom schaukelnden Schiff auf die kleinen Wellenkämme, neigte sich über die Reling des Hecks und warf die Urne auf das Wasser.
Die Frauen weinten, ihre Gesichter waren von den Tränen und dem kalten Wind gerötet. Sie warfen die Blumen auf das Wasser, sahen hinter ihnen her und verfolgten mit ihren Blicken ihren Weg in die sie umschlingenden Wogen.
Roggendorf betätigte noch einmal den Auslöser seiner Kamera.
»Meine Damen und Herren, mein Mitarbeiter bietet Ihnen im Salon zum Aufwärmen Kaffee oder Tee und Corvit an«, sagte der Kapitän. »Die Getränke gehen zu Lasten meines Hauses. Wir nehmen jetzt Kurs zum Festland. Herr van Loo, begleiten Sie mich bitte zum Steuerhaus. Ich habe die Unterlagen für das Standesamt und Altenheim in Wilhelmshaven vorbereitet und auf der Seekarte die Position der Urnenversenkung eingetragen.«
Die Pax nahm Fahrt auf.
Nach einer Weile betrat Jesko van Loo den Salon und legte eine Versandtasche auf den Tisch.
»Wir alle erhalten eine Kopie der Seekarte mit der markierten Position der Urnenversenkung«, sagte er. »Wir werden gegen 15 Uhr in Norddeich anlegen und sofort nach Wilhelmshaven fahren. Die Heimleiterin erwartet uns um 17 Uhr.«
Der Mietvertrag des verstorbenen Kapitäns Edo van Loo lief am 31. Oktober aus. Bis zu diesem Zeitpunkt galt es, das Apartment zu entrümpeln und es so wieder herzurichten, wie Edo van Loo es vor vielen Jahren bezogen hatte.
Weder Jesko van Loo noch seine Schwestern Nanna und Wilma hegten ein Interesse an dem Mobiliar. Sie spielten auch nicht mit Gedanken, einen Trödler einzuschalten, um ein paar Mark herauszuschinden. Siebeabsichtigten, eine Entrümpelungsfirma einzuschalten. Doch vorher mussten sie mit der Heimleiterin Rücksprache nehmen.
Sie hatten Vaters Akten, Dokumente, Fotoalben und was sonst noch für die Familienchronik verwertbar schien, bereits bei ihrem Besuch nach seinem Tod an sich genommen.
Kurz nach 15 Uhr legte die Pax in Norddeich an. Sie verließen das Schiff, verabschiedeten sich vom Kapitän und seinem Mitarbeiter, suchten das Hotel auf, trennten sich von der Trauerkleidung, zogen sich um und begaben sich zum Parkplatz.
Jesko van Loo und seine Petra stiegen in ihren BMW. Sie waren ortskundig.
Dr. Schöllhorn und seine Frau Nanna baten Wilma und Theodor Roggendorf, auf dem Rücksitz ihres bequemen Mercedes Platz zu nehmen. Sie folgten dem BMW im angemessenen Abstand.
Sie erreichten kurz nach 17 Uhr das Altenheim und stellten ihre Wagen auf dem Besucherparkplatz ab.
Über der Stadt lag bereits die frühe Abenddämmerung. Im Park des Altenheimes warfen die Laternen ihr Licht auf die Spazierwege und Ruhebänke. Die Fenster des Wohnheimes waren erleuchtet. Einige Alte waren unterwegs, schoben ihr Stützwägelchen vor sich her. Der kalte Wind fuhr durch die Bäume und fegte die welken Blätter über den Rasen.
Wilma Roggendorf zeigte auf ein Fenster. »Dort stand Papa und blickte uns entgegen, wenn wir ankamen«, sagte sie.
Sie betraten durch das Hauptportal das Altenheim.Sie kannten sich aus, gingen am Speisesaal vorbei zum Nebentrakt, in dem sich das Büro der Heimleiterin befand.
Jesko van Loo klopfte an die Tür. Sie traten ein. Frau Gesine Eller nahm die Brille ab, erhob sich, verließ den Schreibtisch und begrüßte die Angehörigen des verstorbenen Heimbewohners Edo van Loo.
»Wir bitten unsere Verspätung zu entschuldigen. Wir kommen von Norddeich. Der Wochenendverkehr. Wir haben die Urne mit der Asche unseres Vaters vor Norderney den Wellen anvertraut.« Jesko van Loo trat vor, entnahm seiner Manteltasche die vom Kapitän der Pax ausgestellten
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