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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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gestorben«, bemerkte Barbara und wies auf das Foto, das den Jungen in Rückenlage auf einem Bett aus Unkraut zeigte, das im Winkel zweier zusammentreffender Mauern wuchs. Nichts deutete darauf hin, dass dort ein Kampf stattgefunden hatte. Außerdem gab es in dem ganzen Stapel von Fotos keine Aufnahme von Beweisstücken, die man normalerweise an Tatorten fand, wo ein Mord stattgefunden hatte.
    »Nein, er ist nicht dort gestorben. Und der hier auch nicht.« Hillier ergriff einen zweiten Fotostapel. Die Bilder zeigten den Leichnam eines weiteren schlanken Jungen, der auf der Motorhaube eines Autos aufgebahrt worden war. Mit der gleichen Sorgfalt wie das Opfer aus dem Gunnersbury Park. »Dieser hier wurde auf einem öffentlichen Parkplatz am Queensway aufgefunden. Gut fünf Wochen später.«
    »Und was sagt die Mordkommission dort drüben? Irgendwas von den Überwachungskameras?«
    »Der Parkplatz hat keine Kameras«, antwortete Lynley. »Ein Schild dort besagt, dass ›Kameraüberwachung möglich‹ sei. Aber das ist alles. Das soll reichen, um die Sicherheit zu gewährleisten.«
    »Und der hier lag in der Quaker Street«, fuhr Hillier fort und zeigte auf einen dritten Stoß Fotografien. »Ein verlassenes Lagerhaus unweit der Brick Lane. Fünfundzwanzigster November. Und dieser hier« - er nahm den vierten Stapel und reichte ihn Barbara -, »ist das jüngste Opfer. Aufgefunden in St. George's Gardens. Heute.«
    Barbara sah auf die letzten Bilder hinab. Sie zeigten den nackten Leichnam eines Teenagers auf einer flechtenbewachsenen Grabplatte. Das Grab selbst lag in einer Rasenfläche unweit eines gewundenen Pfades. Jenseits dieses Weges erhob sich eine Mauer, die jedoch keinen Friedhof begrenzte, wie man wegen des Grabes hätte annehmen können, sondern einen Garten. Und dahinter schienen Garagen und ein Mehrfamilienhaus zu liegen.
    »St. George's Gardens?«, fragte Barbara. »Wo ist das?«
    »Unweit Russell Square.«
    »Wer hat die Leiche gefunden?«
    »Der Parkwächter, der morgens aufschließt. Der Mörder ist durch das Tor an der Handel Street hineingelangt. Es war ordnungsgemäß mit einer Kette verschlossen, die mit einem Bolzenschneider durchtrennt wurde. Er hat das Tor geöffnet, ist hineingefahren, hat das Opfer auf dem Grab abgelegt und ist wieder verschwunden. Er hat noch einmal angehalten, um die Kette wieder notdürftig um die Torpfosten zu schlingen, sodass Passanten nichts auffallen würde.«
    »Reifenspuren im Garten?«
    »Zwei brauchbare. Es werden gerade Gipsabdrücke genommen.«
    »Zeugen?« Barbara zeigte auf die Wohnungen, die über die Garagen hinweg auf den Garten blickten.
    »Constables der Theobald's-Road-Wache gehen von Tür zu Tür.«
    Barbara zog alle Fotos zu sich her und legte die vier Opfer vor sich in eine Reihe. Augenblicklich fielen ihr die gravierenden Unterschiede zwischen dem letzten Opfer und den drei vorherigen auf. Alle waren Teenager und auf identische Weise gestorben, aber im Gegensatz zu den ersten drei Jungen war das letzte Opfer nicht nur nackt, sondern auch stark geschminkt: Lippenstift, Lidschatten, Kajal und Wimperntusche waren über das Gesicht verschmiert. Außerdem hatte der Mörder den Jungen vom Brustbein bis zur Taille aufgeschlitzt und mit Blut ein eigentümliches rundes Symbol auf die Stirn gemalt. Das wichtigste, potenziell politische Detail jedoch hatte mit der Hautfarbe zu tun: Nur das jüngste Opfer war weiß. Eines der drei früheren war schwarz, die anderen beiden eindeutig gemischtrassig. Schwarz und asiatisch vielleicht. Schwarz und philippinisch. Schwarz und Gott allein wusste, was.
    Nachdem Barbara dies erkannt hatte, begriff sie, warum die Morde keine Titelgeschichten in den Zeitungen nach sich gezogen hatten, keine Fernsehberichte und - das war das Schlimmste - kein Gemunkel bei New Scotland Yard. Sie hob den Kopf. »Institutioneller Rassismus. Das werden sie uns nachsagen, oder? Kein Polizist in London in keiner der zuständigen Wachen ist auf den Gedanken gekommen, dass hier ein Serienmörder am Werk ist. Niemand hat sich die Mühe gemacht, seinen Fall mit den Kollegen aus dem nächsten Revier abzuklären.« Sie nahm das Bild des schwarzen Jungen auf. »Dieser hier ist vielleicht in Peckham vermisst gemeldet worden. Oder in Kilburn. Oder Lewisham. Oder wo auch immer. Aber seine Leiche wurde nicht dort abgelegt, wo er wohnte und von wo er verschwunden ist, richtig? Und darum haben die Kollegen im Revier seines Wohnviertels ihn als Ausreißer zu den

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