13 - Wo kein Zeuge ist
Hillier noch mehr sagen zu wollen, aber dann entließ er sie. Lynley gab keinen Kommentar ab, bis sie Hilliers Büro und Sekretariat verlassen hatten und zum Victoria Block hinübergingen. Dann sagte er lediglich: »Winston, hören Sie mir zu«, während seine Schritte sich verlangsamten. »Tun Sie das nie wieder.«
Da meldet sich der Stolz, dachte Nkata. Damit hatte er gerechnet.
Doch dann überraschte Lynley ihn. »Für Sie ist es ein zu hohes Risiko, sich mit Hillier anzulegen, und sei es auch nur indirekt. Ich weiß Ihre Loyalität zu schätzen, aber für Sie ist es wichtiger, sich Ihren eigenen Rücken freizuhalten. Er ist ein gefährlicher Gegner, also sollten Sie sich nicht seine Feindschaft zuziehen.«
»Er wollte Sie vor mir schlecht dastehen lassen«, entgegnete Nkata. »Das gefällt mir nicht. Ich dachte einfach, ich mach das Gleiche mit ihm, damit er mal sieht, wie es sich anfühlt.«
»Das würde voraussetzen, dass der AC denkt, er könnte jemals schlecht vor irgendwem aussehen«, erwiderte Lynley sarkastisch. Sie gingen zum Aufzug. Lynley drückten den Abwärtsknopf und fuhr fort: »Andererseits ist es eine passende Ironie.«
»Was, Chef?«
»Indem er Ihnen statt Barbara den Rang eines Sergeant gegeben hat, ist Hillier über sein eigenes Ziel hinausgeschossen.«
Nkata dachte darüber nach. Die Lifttür glitt auf. Sie traten ein und drückten die Knöpfe ihrer jeweiligen Etage. »Denken Sie, er hat geglaubt, ich würde ihm bis in alle Ewigkeit nach dem Mund reden?«, fragte er neugierig.
»Ja, ich glaube, dass er genau das angenommen hat.«
»Warum?«
»Weil er keine Ahnung hat, wer Sie eigentlich sind«, antwortete Lynley. »Aber ich nehme an, das haben Sie längst selbst erkannt.«
Sie hielten im Stockwerk der Einsatzzentrale, wo Lynley ausstieg, während Nkata weiter zur Tiefgarage hinabfuhr. Doch ehe die Türen sich schließen konnten, hielt der Superintendent sie mit einer Hand auf. »Winston ...« Er sprach nicht sofort weiter und Nkata wartete. Schließlich sagte Lynley: »Trotzdem vielen Dank.« Er ließ die Lifttür los, sodass sie sich schloss. Seine dunklen Augen sahen Nkata noch einen Moment an, dann waren sie verschwunden.
Es regnete, als Nkata aus der Tiefgarage fuhr. Das Tageslicht schwand jetzt schnell, und der Regen verdunkelte den Nachmittag zusätzlich. Ampeln spiegelten sich auf den nassen Straßen; die Rücklichter der Fahrzeuge zerschmolzen in den Regentropfen auf seiner Windschutzscheibe zu Prismen. Nkata fuhr Richtung Parliament Square und quälte sich in einer Schlange aus Taxen, Bussen und Regierungsfahrzeugen zur Westminster Bridge. Als er hinüberfuhr, war die Themse unter ihm eine graue Masse, pockennarbig vom Regen und aufgewühlt von der steigenden Flut. Ein Boot fuhr Richtung Lambeth, und eine einsame Gestalt im Führerhaus hielt es auf Kurs.
Nkata parkte widerrechtlich am Südende der Gabriel's Wharf und legte ein Polizeischild hinter die Scheibe. Er schlug den Kragen hoch, um sich vor dem Regen zu schützen, und ging zum Platz hinüber, wo die Lichterketten über ihm ein fröhliches Zickzackmuster bildeten und der Inhaber der Fahrradvermietung seine Fahrräder klugerweise ins Trockene brachte.
Bei Crystal Moon saß heute Gigi lesend auf dem Hocker hinter dem Ladentisch, nicht ihre Großmutter. Nkata trat zu ihr und zeigte ihr seinen Dienstausweis. Doch sie schaute gar nicht hin. Stattdessen sagte sie: »Gran hat mir schon gesagt, dass Sie wahrscheinlich noch mal wiederkommen würden. Das hat sie drauf. Super Intuition. Früher hätte man sie bestimmt für eine Hexe gehalten. Hat der Odermennig funktioniert?«
»Ich war nicht sicher, was ich damit tun sollte.«
»Sind Sie deswegen wiedergekommen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich wollte mit Ihnen über einen Mann namens Kilfoyle sprechen.«
»Rob?«, fragte sie und schlug ihr Buch zu, ein Harry-Potter-Band, erkannte er. »Was ist mit Rob?«
»Das heißt, Sie kennen ihn?«
»Ja.« Sie machte zwei Silben aus dem Wort - eine Kombination aus Bestätigung und Frage. Sie wirkte misstrauisch.
»Wie gut?«
»Ich bin nicht sicher, wie ich das verstehen soll«, erwiderte sie. »Hat Rob irgendwas angestellt?«
»Kauft er hier ein?«
»Manchmal. Aber das tun auch viele andere Leute. Worum geht's hier eigentlich?«
»Was kauft er denn bei Ihnen?«
»Keine Ahnung. Er war schon länger nicht mehr hier. Und ich schreib mir nicht auf, was die Leute kaufen.«
»Aber Sie wissen, dass er irgendetwas gekauft
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