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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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- man hätte meinen können, liebevoll - über die Genitalien des Jungen gebreitet worden war.
    Nachdem Lynley die Latexhandschuhe übergestreift hatte und näher an das Grab herangetreten war, um den Leichnam genauer in Augenschein zu nehmen, entdeckte er auch die übrigen Indizien, die darauf hinwiesen, dass hier irgendein geheimnisvoller Ritus ausgeführt worden war. »Was haben wir?«, fragte er den Pathologen leise, der sich die Handschuhe heruntergerissen und in die Taschen gestopft hatte.
    »Zwei Uhr morgens oder um den Dreh«, lautete die knappe Antwort. »Strangulation, wie Sie sehen. Schnittwunden, alle posthum. Ein durchgehender Schnitt für die Wunde am Torso, kein Zaudern. Und sehen Sie hier die Öffnung? Im Bereich des Brustbeins? Es sieht aus, als hätte unser Messerstecher die Hände hineingesteckt und die Öffnung gewaltsam verbreitert wie ein miserabler Chirurg. Ob innen irgendetwas fehlt, werden wir erst wissen, wenn wir ihn selbst aufgeschnitten haben. Scheint mir aber zweifelhaft.«
    Lynley entging nicht, mit welcher Betonung der Pathologe das Wort innen ausgesprochen hatte. Er sah rasch auf die gefalteten Hände des Opfers hinab, dann zu den Füßen. Alle Finger und Zehen vorhanden. Er fragte: »Und was weist der Junge äußerlich auf? Fehlt etwas?«
    »Der Nabel. Er ist einfach rausgeschnitten worden. Sehen Sie mal.«
    »Himmel.«
    »Ja. Opal hat es hier mit einem ganz komischen Vogel zu tun.«
    Bei Opal handelte es sich um eine grauhaarige Frau mit leuchtend roten Ohrenwärmern und passenden Fäustlingen. Sie löste sich aus einer Schar uniformierter Constables, die bei Lynleys Ankunft in eine Debatte vertieft gewesen waren, und kam entschlossenen Schrittes auf ihn zu. Sie stellte sich als DCI Opal Towers von der Theobald's-Road-Polizeiwache vor, in deren Revier sie sich befanden. Sie hatte einen Blick auf das Opfer geworfen und sofort erkannt, dass sie es hier mit einem Täter zu tun hatte, der »in Serie gehen konnte«, wie sie es ausgedrückt hatte. Sie hatte irrtümlich angenommen, der Junge auf dem Grab sei das unglückliche erste Opfer eines Mörders, den sie schnell identifizieren und festnehmen würden, ehe er wieder zuschlug. »Aber DC Hartell dort drüben meint, er habe einen ähnlichen Mord in Tower Hamlets gesehen, als er vor einiger Zeit in der Brick-Lane-Wache stationiert war.« Sie wies auf einen Detective Constable mit Babygesicht, der zwanghaft auf seinem Kaugummi kaute und sie mit nervösen Blicken beobachtete, als erwarte er eine Standpauke. »Ich habe seinen ehemaligen Chef angerufen, und wir haben ein paar Takte geredet. Es sieht so aus, als hätten wir es hier mit demselben Täter zu tun.«
    An diesem Punkt hatte Lynley sie nicht gefragt, warum sie nach dieser Erkenntnis Scotland Yard eingeschaltet habe. Erst bei seinem Gespräch mit Hillier hatte er erfahren, dass es weitere Opfer gab. Und was er ebenfalls nicht gewusst hatte, war, dass drei davon ethnischen Minderheiten angehörten. Und er hatte auch nicht gewusst, dass keiner der jungen bisher von der Polizei identifiziert worden war. All das legte Hillier ihm erst später dar. In St. George's Gardens war er lediglich zu dem Schluss gekommen, dass Verstärkung vonnöten war, um eine Untersuchung zu koordinieren, die Ermittlungen in zwei radikal gegensätzlichen Stadtvierteln erforderte: Brick Lane in Tower Hamlets war das Zentrum der Einwanderer aus Bangladesch, vermischt mit den wenigen Einwanderern von den Westindischen Inseln, die vormals dort die Mehrheit gebildet hatten. St. Pancras hingegen, wo St. George's Gardens als grüne Oase zwischen eleganten georgianischen Häusern diente, war ganz entschieden monochrom, und die entsprechende Hautfarbe war weiß.
    »Wie weit sind die Kollegen in Brick Lane mit ihren Ermittlungen?«, fragte er sie.
    Sie schüttelte den Kopf und schaute zu dem schmiedeeisernen Tor hinüber, durch welches Lynley gekommen war. Er folgte ihrem Blick und sah, dass die Medienvertreter sich versammelten - unschwer erkennbar an ihren Notizblöcken, Diktiergeräten und den Vans, aus denen Videokameras ausgeladen wurden. Ein Beamter dirigierte sie zu einer Seite.
    DCI Towers schüttelte den Kopf. »Hartell sagt, die in Brick Lane haben keinen Finger krumm gemacht. Das war der Grund, warum er von dort wegwollte. Er sagt, es ist ein endemisches Problem. Tja, kann sein, dass er nur einen Groll gegen seinen ehemaligen Chef hegt, kann aber genauso gut sein, dass die Kollegen dort drüben am Steuer

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