13 - Wo kein Zeuge ist
Brandstiftungsunsinn. Dieser dämliche kleine Mistkerl.«
»Wie kommen Sie mit ihm aus?«, fragte Ulrike.
»Nach dem Grundsatz leben und leben lassen, Missy, denn das ist die Methode, wie ich mit jedermann auskomme.«
»Und wie steht es mit anderen?«
»Wie soll was mit anderen stehen?«
»Seine Freunde. Kommt er mit denen aus?«
»Sie wären kaum Freunde, wenn sie nicht miteinander auskämen, oder?«, entgegnete Miss A.-W.
Ulrike lächelte. »Nun ja. Sehen Sie sie häufig?«
»Wozu wollen Sie das wissen?«
»Na ja, weil natürlich ... Jacks Verhalten ihnen gegenüber Schlüsse darauf zulässt, wie er mit anderen interagieren würde, verstehen Sie? Und das ist es, was wir ...«
»Nein, ich verstehe nicht«, unterbrach Miss A.-W. schneidend. »Wenn Sie seine Vorgesetzte sind, sehen Sie ihn doch andauernd interagieren. Sie selbst interagieren mit ihm. Sie brauchen meine Meinung in dieser Sache gar nicht.«
»Aber die sozialen Kontakte einer Person können darüber Aufschluss geben ...« Worüber?, dachte sie. Ihr fiel nichts Brauchbares ein, also kam sie auf den Punkt: »Geht er beispielsweise mit Freunden aus? Abends. In den Pub oder Ähnliches?«
Die scharfen Augen der alten Dame verengten sich ein wenig. »Er geht so häufig aus wie jeder Junge in seinem Alter«, sagte sie reserviert.
»Jeden Abend?«
»Welche Rolle soll das spielen?« Ihr Tonfall wurde immer misstrauischer, aber Ulrike fuhr unbeirrt fort.
»Und geht er immer in den Pub?«
»Fragen Sie mich, ob er ein Säufer ist, Miss ... wie war der Name?«
»Ellis. Ulrike Ellis. Und nein, darum geht es nicht. Aber er hat gesagt, dass er jeden Abend in den Pub geht, also ...«
»Wenn er das sagt, dann wird es wohl auch so sein.«
»Aber Sie glauben es nicht?«
»Ich sehe nicht, welche Rolle es spielen sollte. Er kommt und geht. Ich überwache ihn nicht. Warum sollte ich das tun? Manchmal ist es der Pub, manchmal eine Freundin, manchmal seine Mutter, wenn die beiden sich gerade gut verstehen, was immer dann vorkommt, wenn Min irgendetwas von ihm will. Aber er erzählt mir nichts, und ich frage ihn auch nicht. Und was ich wissen möchte, ist, warum Sie danach fragen. Hat er irgendetwas angestellt?«
»Also geht er nicht immer in den Pub? Können Sie sich an eine Gelegenheit in den letzten Tagen erinnern, wo das nicht der Fall war? Wo er anderswohin gegangen ist? Zu seiner Mutter vielleicht? Wo wohnt sie überhaupt?«
In diesem Moment erkannte Ulrike, dass sie zu weit gegangen war. Miss A.-W. hievte sich aus dem Sessel, die Zigarette im Mundwinkel. Ulrike ging flüchtig das Wort Braut durch den Kopf, so wie es die harten Jungs in amerikanischen Schwarzweißfilmen gebraucht hatten. Genau das war Miss A.-W.: eine Braut, mit der man rechnen musste.
Die alte Dame sagte: »Hören Sie: Sie schnüffeln hier rum, und machen Sie mir nicht weis, dass dies hier irgendetwas anderes als ein Spionagefeldzug ist. Ich bin kein Dummkopf. Also setzen Sie Ihren straffen kleinen Hintern in Bewegung und verlassen Sie mein Haus, ehe ich die Polizei rufe und bitte, Ihnen dabei behilflich zu sein.«
»Miss Atkins-Ward, bitte. Wenn ich Sie verärgert habe ... Ich mache ja nur meinen Job ...« Ulrike stellte fest, dass sie nicht weiterwusste. Hier bedurfte es eines hohen Maßes an Subtilität, und genau daran mangelte es ihr. Sie hatte kein Talent für das machiavellistische Vorgehen, das ihre Position bei Colossus manchmal erforderte. Zu ehrlich, sagte sie sich. Zu geradeheraus mit den Menschen. Diese Eigenschaft musste sie ablegen, oder wenigstens lernen, sich hin und wieder davon zu lösen. Herrgott noch mal, sie musste lernen zu lügen, wenn sie irgendwelche brauchbaren Informationen bekommen wollte.
Sie wusste, dass Miss A.-W. Jack von ihrem Besuch berichten würde. So sehr sie sich auch anstrengte, fand sie keinen Weg, wie sie das verhindern könnte, es sei denn, sie zog der alten Dame eins mit der Tischlampe über den Kopf und brachte sie ins Krankenhaus. »Wenn ich Sie gekränkt ... Wenn ich mich anders hätte ausdrücken sollen ... Wenn ich behutsamer mit der ...«
»Haben Sie etwas mit den Ohren?«, unterbrach Miss A.W. und rüttelte an ihrer Gehhilfe, um der Frage Nachdruck zu verleihen. »Gehen Sie nun, oder muss ich weitere Maßnahmen ergreifen?«
Und das würde sie tun, das war das Verrückte. Man musste eine solche Frau bewundern. Sie hatte es mit der Welt aufgenommen und Erfolg gehabt. Sie schuldete niemandem irgendetwas.
Ulrike blieb nichts anderes
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