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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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rief Navina. »Zwei Tage, nachdem er nicht wie sonst zur Geburtsvorbereitung gekommen ist. Ich hab es den Bullen gesagt, aber die haben gar nicht zugehört. Die haben mir einfach nicht geglaubt.«
    »Wann war das?«
    »Vor über einem Monat«, antwortete sie. »Ich bin zur Polizei gegangen und hab dem Typ in der Wache gesagt, ich müsste jemand vermisst melden. Er fragt, wen, und ich sag, Jared. Ich sag ihm, er ist nicht zur Geburtsvorbereitung gekommen und hat mich auch nicht angerufen oder so, und das sieht ihm nicht ähnlich. Aber die Bullen denken, er ist abgehauen. Wegen dem Baby, versteh'n Sie. Sie haben gesagt, ich soll ein, zwei Tage warten, und als ich wieder hingegangen bin, haben sie mir dasselbe noch mal erzählt. Und ich bin immer wieder hin und hab es ihnen gesagt, und die haben meinen Namen aufgeschrieben und Jareds und keinen Finger krumm gemacht.« Sie fing an zu weinen.
    Nkata stand von seinem Stuhl auf und trat zu ihr. Er legte ihr die Hand auf den Nacken. Er fühlte sich schlank unter seinen Fingern an, die Haut warm, und mit einem Mal konnte er sich vorstellen, wie anziehend sie gewesen war, ehe ein Zwölfjähriger sie geschwängert hatte, sodass sie aufgedunsen und ungelenk wirkte. »Es tut mir Leid«, sagte er. »Die Beamten hätten Ihnen zuhören sollen. Ich komme nicht von deren Revier.«
    Sie hob das tränennasse Gesicht. »Aber Sie haben doch gesagt, Sie sind ein Bulle ... von woher?«
    Er erklärte es ihr. Dann brachte er ihr, so schonend er konnte, den Rest bei: Dass der Vater ihres Babys einem Serienmörder zum Opfer gefallen war, dass er am Tag des versäumten Schwangerschaftsvorbereitungskurses vermutlich schon tot gewesen war, dass er eines von vier Opfern war, alle halbwüchsige Jungen, die zu weit entfernt von zu Hause aufgefunden worden waren, als dass irgendjemand sie hätte wiedererkennen können.
    Navina lauschte, und ihre dunkle Haut schimmerte unter den Tränen, die unablässig über ihre Wangen liefen. Nkata fühlte sich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sie zu trösten, und dem Bedürfnis, sie mit ein paar deutlichen Worten zur Vernunft zu bringen. Was hatte sie sich eigentlich gedacht?, hätte er gern gefragt. Dass ein dreizehnjähriger Junge bis ans Ende aller Tage für sie da sein würde? Nicht so sehr, weil er sterben könnte - wenn sie auch weiß Gott genug junge Schwarze in dieser Stadt hatten, die keine dreißig wurden -, sondern weil er irgendwann wieder zu Verstand gekommen wäre und eingesehen hätte, dass das Leben mehr zu bieten hatte, als Babys in die Welt zu setzen, und dass er dieses Mehr, was immer es war, gewollt hätte?
    Doch sein Bedürfnis, Trost zu spenden, gewann die Oberhand. Nkata fischte ein Taschentuch aus der Jacke und drückte es ihr in die Hand. Er sagte: »Sie hätten Ihnen zuhören sollen, und das haben sie nicht getan, Navina. Ich kann nicht erklären, warum. Es tut mir wirklich Leid.«
    »Sie können's nicht erklären?«, wiederholte sie voller Bitterkeit. »Was bin ich denn schon für die? Die Schlampe, die einen Braten in der Röhre hat von dem Jungen, der mit zwei geklauten Kreditkarten erwischt worden ist. Das ist es doch, weshalb sie ihn in Erinnerung behalten, oder? Ein, zwei Mal hat er 'ne Brieftasche geklaut. Einmal hat er nachts mit ein paar Kumpels versucht, einen Mercedes zu knacken. Ein kleiner Gauner, darum werden wir ganz bestimmt nicht nach ihm suchen, also mach, dass du rauskommst, Mädchen, und verpeste hier nicht die gute Luft, vielen Dank auch. Aber ich hab ihn geliebt, ehrlich, und wir wollten zusammen eine Zukunft haben, und er wollte diese Zukunft aufbauen. Er hat kochen gelernt und wollte ein richtiger Chefkoch werden. Sie können hier jeden danach fragen, dann hör'n Sie ja, was die Leute sagen.«
    Kochen. Chefkoch. Nkata zog sein schmales Ledernotizbuch hervor und notierte die Worte mit Bleistift. Er brachte es nicht übers Herz, Navina mit weiteren Fragen zu bedrängen. Nach dem, was sie angedeutet hatte, war die Peckham-Polizeiwache wahrscheinlich die reinste Fundgrube für Informationen über Jared Salvatore.
    Er fragte: »Alles in Ordnung, Navina? Kann ich irgendjemanden für Sie anrufen?«
    »Meine Mum«, antwortete sie, und zum ersten Mal kam sie ihm tatsächlich wie sechzehn vor, und ihr Gesicht verriet die Angst, mit der so viele Mädchen lebten, die in einer Umgebung aufwuchsen, wo niemand sicher und wo jeder verdächtig war.
    Ihre Mum arbeitete in der Küche des St. Giles' Hospital, und als Nkata sie

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