1300 - Die Templerin
besuchen wollte.
»Du bist noch wach?«
»Ja, Mutter.«
»Das ist gut, denn ich habe mit dir zu reden.« Nichts klang freundlich an der Stimme, das hatte Alfa nicht nötig. Sie war eine fromme und eine sehr strenge und hartherzige Frau, die nur einen Mann anerkannte, den Erlöser.
Alfa betrat die Zelle. Sie trug noch ihre Tracht. Auf dem Kopf saß die große Haube, die sich von den anderen der übrigen Schwestern unterschied. Ihre sahen mehr aus wie Kopftücher, aber daran hatten sie sich längst gewöhnt.
Die Oberin betrat die Kammer. Die Tür zog sie nur zu. Es gab einen Hocker, auf den sie sich setzte. Das Talglicht stellte sie auf den Boden zwischen sich und dem Lager.
Konstanza strich die langen Haare aus dem Gesicht nach hinten.
Mit gekreuzten Beinen saß sie da und schaute zu ihrer Besucherin hoch, die zunächst nichts sagte und Konstanza nur ins Gesicht starrte. Es war schon eine längere Zeit verstrichen, als sie schließlich nickte und den ersten Satz sprach.
»Du bist sehr schön, Schwester.«
Konstanza wusste es. Sie gab der Oberin nicht Recht, sondern zeigte sich verlegen. »Ich weiß es nicht, aber ich wollte hierher. Meine Schönheit soll nicht den Männern gehören. Ich möchte bis an mein Lebensende dienen, um später das große Heil zu erleben und am Ende der Welt wieder aufzuerstehen.«
Alfa nickte. »Das waren sehr wahre Worte, Schwester. Sie müssten mir einfach gefallen, aber es ist schon seltsam mit mir, denn sie gefallen mir nicht.«
»Warum denn nicht?«
»Sie sind nicht ehrlich. Ich merke es genau, wenn jemand ehrlich ist. Und du bist es nicht!«
Konstanza spielte die Erschreckte. »Bitte, Ehrwürdige Mutter, was habe ich getan?«
»Nichts, gar nichts. Aber ich lebe schon lange hinter diesen Mauern. Ich bin alt geworden, und ich habe gelernt, die Menschen zu durchschauen. Auch du bist ein Mensch, aber du spielst uns etwas vor. Du stehst nicht voll und ganz hinter uns. Ich kann dir nichts vorwerfen, aber man spürt es einfach. Und das sage nicht nur ich, sondern auch die anderen Schwestern hier.«
Konstanza schluckte. Sie war plötzlich durcheinander. Sie bewegte ihren Kopf und wusste nicht, wohin sie schauen sollte. »Bitte, das… das müsst Ihr mir erklären, Ehrwürdige Mutter …«
»Es gibt keine Erklärung dafür. Es ist einfach nur unser Gefühl und nichts anderes.«
»Was soll ich denn tun?«
»Der Lüge entsagen!«
Sie wollte lachen, das tat sie jedoch nicht. Sie hätte die Alfa am liebsten ausgelacht und ihr ins Gesicht geschlagen, um ihr dann die Wahrheit zu erzählen. Sie hätte auch das angespitzte Stück Holz unter dem Lager hervorziehen können, um es ihr in die Brust zu rammen. Das aber tat sie nicht. Stattdessen schauspielerte sie und flüsterte: »Ich kann Euch nicht folgen, Ehrwürdige Mutter. Ich habe alles getan. Ich habe mich in die Demut begeben, ich will dienen und…«
»Ja, ja, das weiß ich. Das will ich nicht mehr hören.« Das faltige Gesicht mit den kleinen Knopfaugen verzog sich wütend. Sie schnappte zwei Mal nach Luft und sprach Konstanza wieder an.
»Es ist nicht der eigentliche Grund, weshalb ich mitten in der Nacht zu dir gekommen bin.«
»Nein?«
»Es gibt einen anderen Grund für mich. Du wirst morgen Besuch bekommen. Nur du. Ein Bote traf ein und hat uns den Besuch angekündigt.«
Konstanza schwieg. Sie schauspielerte, aber im Innern wusste sie sehr gut, wer ihr da einen Besuch abstatten wollte. Es konnte nur der Großinquisitor sein, der endlich sein Versprechen in die Tat umsetzen wollte.
»Ich wüsste nicht, Ehrwürdige Mutter, wer mich hier besuchen sollte. Ich kenne niemanden, der…«
»Es ist Don Bernado, der Großinquisitor. Er schaut hin und wieder in den Klöstern vorbei. Jetzt sind wir an der Reihe. Er wird mit großem Gefolge hier erscheinen. Mit den Soldaten seiner Leibwache, und er hat mir ausrichten lassen, dass er auch zu dir will. Er möchte mit dir allein sprechen.«
Sie senkte den Kopf. »Das… das … habe ich nicht gewusst. Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Die Botschaft lügt nicht.«
Konstanza schaute die ältere Frau fast flehend an. »Soll ich ihn denn empfangen?«
»Das wirst du wohl müssen, mein Kind. Ja, du wirst ihn empfangen. Hier in deiner Zelle.«
»Und dann?«
»Wirst du mit ihm sprechen.«
»Aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Bitte, ich bin nur eine kleine Nonne und…«
»Das glaube ich dir nicht!«, unterbrach Alfa sie hart. »Nein, du bist mehr als das. Hat der
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