1300 - Die Templerin
Großinquisitor dich nicht in dieses Kloster geschickt?«
»Ja, er hat mir den Rat gegeben.«
»Und du hast gehorcht?«
»Das musste ich doch.«
»Dann wirst du ihm auch gehorchen, wenn er zu dir kommt. Du wirst dich sehr demütig verhalten, denn denke immer daran, dass wir alle auf dieser Welt sind, um zu dienen. Die einen sind die Knechte, und wir sind die Mägde.«
»Das weiß ich. Daran denke ich oft, Ehrwürdige Mutter.«
»Dann ist es gut.« Die ältere Frau erhob sich und ließ sich das Talglicht reichen. Sie ging zur Tür. Die kleine Flamme bewegte sich dabei und füllte die Kammer mit zuckenden Schritten. An der Tür blieb sie noch einmal stehen und drehte sich um.
»Auch jetzt kann ich dir nicht glauben, Konstanza. Ich fühle es, dass du hier falsch bist. Du spielst eine Rolle. Hinter dir steckt jemand anderer.«
»Wer sollte das denn sein?«
»Ha, vielleicht sogar der Leibhaftige«, sagte sie und schaute ihr kalt ins Gesicht.
Konstanza senkte den Blick. »Wie könnt Ihr so etwas nur behaupten?«
»Du bist das Kuckucksei, das weiß ich. Und ich werde mit dem Großinquisitor über dich sprechen. Das wollte ich dir noch sagen. Vielleicht nimmt er dich auch mit und sorgt dafür, dass du auf dem Scheiterhaufen landest.«
Sie fügte nichts mehr hinzu, ging und schloss die Tür. Konstanza aber ließ sich zurück auf die harte Pritsche fallen. Sie riss den Mund auf und lachte. Sie vermied es allerdings, laut zu lachen. Was aus ihrem Mund drang, war nur ein Glucksen. Wie Recht die Oberin doch hatte, wie Recht!
Von nun an ging Konstanza davon aus, dass ihre Tage im Kloster gezählt waren…
***
Der nächste Tag lief ab wie jeder andere auch. Das frühe Aufstehen, das Gebet in der Kapelle, dazu die frommen Gesänge, das alles kannte Konstanza, und sie machte es auch mit.
Trotzdem war dieser Tag anders. Man spürte es, denn die Oberin hatte den Nonnen mitgeteilt, wer sie besuchen würde. Die Schwestern waren aufgeregt, sie flüsterten miteinander, und sie beeilten sich mit dem Großreinemachen. Der hohe Herr sollte keinen Grund zur Beschwerde finden, denn das konnte Strafen nach sich ziehen.
Alfa war sehr ruhig. Sie sprach kaum. Sie ging nur umher und kontrollierte. Ihr strenger Blick sagte mehr als viele Worte, und als sie in die Küche trat, wo Konstanza den Boden schrubbte, blieb sie neben ihr stehen. Eine Weile schaute sie auf den gebeugten Rücken.
Die anderen Schwestern interessierten sie nicht. Sie mussten sich um das Mahl für den hohen Gast kümmern, der überall, wohin er auch kam, bewirtet wurde. Er aß nie allein, sondern zusammen mit der Oberin und seinen engsten Vertrauten, die das gute Essen jeweils in sich hineinschlangen. Ein Ferkel reichte kaum aus, um sie satt zu bekommen. Bei einem nahen Bauern hatte die Oberin es besorgen lassen. Es drehte sich auf dem Spieß.
Konstanza hatte ihren Blick nicht erhoben, obwohl sie wusste, dass jemand neben ihr stand. Wenn sie zur rechten Seite schielte, sah sie die Füße und den Saum der Kutte.
»Hör auf.«
Konstanza ließ den Lappen los. Sie schaute in die Hohe, ohne ihre Haltung zu verändern.
»Ehrwürdige Mutter. Was soll ich tun?«
»Dich erheben und mit mir kommen. Deine Arbeit wird von einer anderen übernommen.«
»Ja, aber…«
»Komm mit!«
Widerspruch vertrug Alfa nicht, und so gehorchte Konstanza. Sie folgte der Oberin bis zu ihrer Zelle.
»Tritt ein und warte!«
»Ist er schon da?«
»Nein, aber er wird pünktlich sein. Ich kenne ihn. Er hält die Zeiten ein.«
Konstanza schaffte sogar ein Zittern. »Kommt er denn einfach zu mir, der hohe Herr?«
»Er wollte es so.«
»Aber Ihr seid doch dabei, Ehrwürdige Mutter – oder?«
»Nein, das bin ich nicht. Der Großinquisitor will allein mit dir sein. Sei demütig. Denke immer daran, wer du bist und wer er ist. Hast du verstanden?«
»Ja, das habe ich.«
Alfa schaute die Nonne aus ihren kleinen Augen an. »Sollte ich eine Beschwerde hören, wird deine Strafe umso härter sein. Merke dir das genau.«
»Ich weiß es.«
Alfa ging und ließ Konstanza allein. Tief atmete sie durch. Ihre Augen glänzten. Sie wusste, was ihr bevorstand. Dieser gierige Mann würde nicht nur kommen, um mit ihr zu reden, nein, er wollte ihr wieder den Teufel austreiben. Lange genug hatte er gewartet, und Konstanza hatte schon mit einem früheren Besuch gerechnet.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, einen Blick durch das Fenster zu werfen. Viel sah sie nicht. Ihre Zelle lag
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