1302 - Die Geisterfalle
zurücklassen. Die nehme ich mit.«
»Wie Sie wollen.«
Robin sagte nichts mehr. Er schaute aus dem Fenster und schien den Himmel zu beobachten, der dabei war, seine Weite und seine Klarheit zu verlieren. Das dichte Grau der Dämmerung drängte sich näher. Die Sonne hatte zwar nicht stark geschienen, doch jetzt verschwand auch ihr bleiches Licht hinter dem Horizont und überließ den Himmel anderen Kräften.
Wir rollten über Nebenstraßen. Laut Robin waren sie eine Abkürzung. Er fragte mich noch mal, ob ich nach Virley wollte oder lieber direkt bis ans Ziel.
»Dorthin, wo die Mauer gestanden hat.«
»Gut. Das schaffen wir auch.«
»Was hätte es denn für Probleme geben sollen?«, erkundigte ich mich.
»Wäre der Boden zu weich gewesen, hätten wir einen Geländewagen nehmen müssen.«
»Ich wäre zur Not auch zu Fuß gegangen.«
»Das werden wir sowieso müssen.«
Es dauerte nicht mehr lange, da fuhren wir durch das Feld. Es wurde zwar eine kleine Schaukelei, aber wir blieben nicht stecken.
Ich sah die Veränderung der Natur. Hier war es nicht nur flach und grüngrau in Höhe des Erdbodens. Es wuchs auch dichtes und zähes Gestrüpp, und sogar kleine Bäume waren zu sehen, die so etwas wie kleine Teilstücke eines Niederwalds bildeten.
Mein Mitfahrer war leicht nervös geworden. Da draußen das Tageslicht immer mehr schwand, bekam er leichte Probleme mit der Orientierung. Ich stellte ihm keine Fragen, fuhr weiter und merkte, dass er heftig nickte.
»Ja, wir sind richtig.«
»Super. Und wo soll ich halten?«
»Moment noch.« Robin nagte an seiner Unterlippe. Dann deutete er nach rechts. »Da beginnt es dichter zu werden. Dort müssen wir stoppen.«
»Ich sehe keine Mauer.«
Er lachte. »Ich auch nicht. Aber sagen Sie bitte nichts. Sie hat dort gestanden. Das müssen Sie mir glauben.«
»Haben Sie etwas gehört?«
»Nein. Aber ich stelle mir soeben vor, was ich an Ihrer Stelle denken würde.«
»Das lässt sich alles regeln.«
Noch ein paar Meter, dann hatte ich die Stelle erreicht und trat auf die Bremse. Mein Begleiter schnallte sich zuerst los, blieb aber noch sitzen und atmete tief durch.
»Probleme?«
Er wusste nicht, ob er nicken oder den Kopf schütteln sollte. Er ließ beides. »Wissen Sie, es ist schon ein seltsames Gefühl, sich dort aufzuhalten, wo man den Schock seines Lebens bekommen hat, nun aber nichts sieht, weil alles wieder normal ist. Sie müssen mich doch für einen übergeschnappten Spinner halten.«
»So denke ich nicht. Warten wir erst mal ab.«
»Gut.«
Wir stiegen aus. Ich schaute mich schon beim Herausklettern aus dem Rover um. Irgendwelche Anzeichen waren nicht zu sehen.
Was mich hier umgab, war völlig normal. Der Ort Virley lag zwar in der Nähe, war durch das hügelige Gelände jedoch nicht zu sehen.
Robin Dunn holte seine Kamera vom Rücksitz. Ich ließ ihn einige Aufnahmen schießen und sprach ihn erst dann an.
»Wo müssen wir jetzt hin?«
»Gleich, Mr. Sinclair. Ich wollte Ihnen nur erklären, warum ich die Bilder gemacht habe. Ich werde eine Dokumentation herstellen. Ich will einfach glaubhaft erscheinen. Sie zweifeln nicht an mir, aber nicht jeder Mensch reagiert so wie Sie.«
»Richtig.«
Dunn ging vor. Ich blieb hinter ihm. Der Fotograf kannte sich zwar aus, trotzdem verhielt er sich wie ein Fremder. Er bewegte seinen Kopf, schaute in die verschiedenen Richtungen, suchte nach irgendwelchen Feinden und sah trotzdem nichts.
Wir waren allein. Zu zweit in der Natur, die den Tag verabschiedet hatte und jetzt auf die Nacht wartete. Die ersten Vorboten hatte sie bereits geschickt. Der Himmel war düster geworden, jedoch nicht wolkenverhangen. Wir konnten die ersten Sterne sehen, aber keinen Mond. Die Luft roch nach dem Meer. Sie schmeckte irgendwie anders, denn hinter den Dünen lag eine andere Welt.
Da wollten wir nicht hin, sondern nur zu dem Ort, an dem Robin Dunn angehalten hatte.
»Hier ist es gewesen, John. Hier hat sie gestanden. Ich bin mir hundertprozentig sicher.« Er deutete schräg zu Boden und dabei auch nach vorn.
Zu sehen gab es nichts. Abgesehen von Sträuchern und niedrigen Bäumen. Ein völlig normales Stück Natur, und das wusste Robin auch. Er stand da und zuckte die Achseln. Er schien darauf zu warten, dass ich ihn auslachte oder ihm Vorwürfe machte.
Das tat ich nicht. Auch an meinen Blicken erkannte er, dass ich ihm glaubte.
»Es war hier, John. Hier hat die Mauer…«
Ich legte meinen Finger auf die Lippen. »Wir sprechen
Weitere Kostenlose Bücher