1304 - Die Voodoo-Gräfin
wieder sprach sie von der Rache an den Männern. Wenn wir auf sie hören würden, dann würden wir in der Lage sein, uns zu rächen. So hat sie es gesagt, Maxine.«
»Wer ist denn schon fertig?«
»Keine.«
»Und wie weit seid ihr?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber Alexandra di Baggio hat die Macht, das steht fest, und wir können nichts dagegen tun. Überhaupt nichts.«
»Aber Sie haben es geschafft, zu fliehen.«
Helen schlug die Hände vors Gesicht. Trotzdem gab sie eine Antwort, die auch zu verstehen war. »Ja, ich habe es geschafft oder das vollbracht, wovon andere träumen. Was diese Gräfin mit uns anstellte, ist nämlich nicht jedermanns Sache. Die Euphorie des ersten Wohnens ist verflogen. Bei vielen regiert die Angst und das Unbehagen.«
Max deutete auf Helens Beine. »Sind alle Frauen so gezeichnet wie Sie?«
»Ich denke schon.«
»Gut.« Maxine sammelte sich. Dass sie dabei beobachtet wurde, störte sie nicht. »Ich möchte noch mal auf die Gräfin zurückkommen. Können Sie sie mir beschreiben?«
»Ja, warum? Meinen Sie, dass Sie die Frau kennen?«
»Bitte, nur die Beschreibung.«
Helen überlegte. Die folgenden Worte sprach sie sehr langsam.
»Ich würde von einer seltsamen Frau sprechen und nicht mal ungewöhnlich, denn das ist etwas anderes. Man kann sie schlecht einschätzen, was ihr Alter angeht. Sie kann fünfzig Jahre alt sein, aber auch ebensogut zwanzig Jahre jünger. Irgendwo ist sie ein Phänomen. Manchmal sieht sie sogar noch älter als fünfzig aus. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.«
»Wie kommt das?«
»Bitte was?«
»Das mit dem Alter.«
Helen Pride zuckte die Achseln. »So genau kann ich Ihnen das auch nicht sagen, aber sie muss eine ungewöhnliche Haut haben, das ist mir aufgefallen. Oder sogar eine sehr ausgefallene Haut, die sie immer pflegen muss.«
»Pflegen? Mit einer Creme oder…«
»Nein, nein, eine Creme benötigt sie nicht. Sie nimmt einfach ein Bad, das ist alles. Es ist ihre Mußestunde. Das Bad ist ein besonderer Raum, den niemand betreten darf. Da ist die Gräfin dann ganz allein und auf sich gestellt.«
»Wie oft badet sie?«
»Jeden…«, Helen schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht richtig, denn sie badet nicht jeden Tag, sondern nur in der Nacht. So war es auch jetzt. Ich wusste, dass sie ein Bad nahm, und aus diesem Grunde habe ich auch fliehen können. Es war meine Chance.«
»Bleibt sie lange in der Wanne?«
Helen konnte ihr Lachen nicht stoppen. »Sie sind gut. Das ist keine Wanne, sondern ein richtiger Pool, in dem sie sich aalt. Super muss er sein. Gesehen hat ihn keiner, aber die Gräfin schwärmte stets davon, wenn sie aus dem Bad kam. Sie erklärte immer, wie gut es ihr doch ging und wie toll das alles war, das Bad zu genießen.«
»Von den Frauen tat das keine?«
»Wo denken Sie hin, Maxine. Die lässt niemand in ihr Badezimmer. Das ist ihr Heiligtum. Nein, nein, davon müssen Sie schon Abstand nehmen.«
»Ist sie denn stark verändert, wenn sie das Bad verlässt?«
Helen überlegte. Dabei wiegte sie den Kopf. »Nun ja, so genau kann man das nicht sagen. Mir kam sie schon verändert vor.«
»Frischer?«
»Ja. Von der Haut her. Als hätte diese sich regeneriert. Sie sah immer besser aus und auch jünger. Von uns Frauen war keine der Meinung, dass sie in normalem Wasser badet. Wenn schon Wasser, dann muss sie es es mit einem Zusatz versehen haben, der viel für ihre Haut tut. Sie sieht dann immer wieder wie neu geboren aus. Weniger brüchig.«
»Ähm… brüchig?«
»Ja.«
»Wie soll ich das verstehen?«
Helen stöhnte auf. Die Fragen wurden ihr allmählich zu viel.
Aber sie spielte mit. »Ich habe mir immer gesagt, dass sie brüchig aussieht. Fast wie Rinde.«
»Okay, dann weiß ich, was Sie meinen.«
»Bitte, Maxine, nehmen Sie das nicht für bare Münze. Es ist nur eine Beschreibung meinerseits. Andere Menschen sehen das bestimmt nicht so wie ich. Das wollte ich Ihnen noch sagen. Mehr weiß ich auch nicht über sie. Nur eben, dass sie jeder Bewohnerin ein Gefühl der Geborgenheit gibt. Doch ich habe mich nicht täuschen lassen. Hinter dieser Maske aus Freundlichkeit sieht es ganz anders aus.«
»Was haben Sie erlebt?«
»Nichts, gar nichts.«
»Trotzdem behaupten Sie das von der Gräfin.«
»Ja, weil ich mich einfach auf meinen gesunden Menschenverstand verlassen habe. Da können Sie jetzt lachen, aber ich habe schon immer so etwas wie ein Drittes Auge gehabt. Ich kann eben hinter die Fassade schauen.
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