1316 - Vampirhölle
freuten. Mir war klar, dass er sie gebissen hatte, die Wunden waren nicht von ungefähr entstanden, und so gab er sich bestimmt einem Vorspiel hin, hocherfreut darüber, so viele Zuschauer zu haben, denen er seine Macht präsentieren konnte.
Aber ich hatte noch immer nicht herausgefunden, ob es sich bei ihm tatsächlich um einen Vampir handelte.
Zwar hielt er den Mund nicht ganz geschlossen, doch seine verräterischen Zähne präsentierte er nicht.
Immer wieder verteilte er Küsse auf beide Brüste der jungen Frauen, die sich das gern gefallen ließen. Sie hatten die Köpfe zurückgelegt und hielten die Augen dabei offen, damit jeder den verzückten Ausdruck darin sehen konnte.
Ich hatte genug gesehen und konzentrierte mich wieder auf meine Umgebung. Das Flüstern der Stimmen drang in meine Ohren. Alle Zuschauer waren unglücklich darüber, dass sie nicht anstelle der beiden Frauen waren. Sie hofften allerdings, dass es noch so weit kommen würde.
Ohne Vorwarnung stoppte der Sir seine Liebkosungen. Er blieb kerzengerade auf seinem Stuhl sitzen. Er hob den Kopf an, und ich erwischte einen Blick in seine glanzlosen Augen.
O ja, den Ausdruck kannte ich. Er war gierig, und diese Gier galt nur einem: Dem Blut der Menschen, das ihn füllen sollte.
Nicht nur er hatte mich gesehen.
Ich wusste auch Bescheid!
Plötzlich gab es zwischen uns ein Band. Wir hingen an dieser unsichtbaren Schnur fest, und mit einem harten Sprung schoss Cecil Banks in die Höhe.
Zugleich öffnete er den Mund.
Ich sah die Zähne, und die waren echt!
***
Für Sekunden schien die Zeit zwischen uns eingefroren zu sein. Jeder belauerte den anderen. Die übrigen Zuschauer interessierten mich nicht mehr, auch nicht die beiden jungen Frauen rechts und links von ihm. Ich sah nur den Sir und griff nicht nach einer Waffe, weil zugleich eine Frage auf mich einstürmte, auf die ich eine Antwort haben wollte. Hatten bei ihm wirklich die Prinzen ihre Zeichen gesetzt?
»Wer, Banks«, flüsterte ich ihm zu, »wer, zum Teufel, hat dich zu einem Blutsauger gemacht?«
Es kam mir vor, als hätte er auf diese Frage gewartet, um endlich etwas loswerden zu können. Die Antwort stieß er mit einer wahren Inbrunst hervor.
»Sie war es. Sie, die Blonde…«
»Justine Cavallo?«, fragte ich auf gut Glück.
»Ja.«
Verdammt, auch das noch. Die blonde Bestie hatte mir gerade noch gefehlt. Da musste ich nicht mal großartig überrascht sein, denn so etwas lag einfach in der Luft. Sie war eine Blutsaugerin, sie musste sich vom Blut anderer Menschen ernähren und eine Umgebung wie diese war ideal für sie.
Justine und Dracula II versuchten schon seit längerer Zeit, sich gewisse Stützpunkte zu erobern. Das nicht nur, um ihre verdammte Vampirpest auszubreiten, es ging auch um etwas anderes, denn sie hatten eine gewisse Furcht vor der Zukunft.
Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich den Sir anschaute. Sein Gesicht war zu einem Zerrbild geworden, und ich wollte mehr von ihm wissen.
»Ist Justine noch hier?«
»Nein.«
»Wann kommt sie zurück?«
Er wollte nichts mehr sagen. Er war wild geworden. Er kümmerte sich auch nicht mehr um seine beiden Opfer, er hatte plötzlich in mir einen Feind erkannt.
Über den Tisch hinweg sprang er mich an!
***
Über Vanessa Drake schwebte ein blasser Fleck, der sich immer wieder bewegte. Sie hätte sich gefreut, wenn es sich tatsächlich nur um einen Fleck gehandelt hätte. Leider war dem nicht so, denn der Fleck war das bleiche Gesicht einer Person, die Mona Delano hieß.
Ihr Bruder fuhr den Van. Mona hatte sich mit der entführten Vanessa auf die breite Rückbank zurückgezogen. Dort war Platz genug, um Vanessa in die Polster zu drücken. Sie lag dort auf dem Rücken und schaute in die Höhe, wobei sie dort das tanzende Gesicht ihrer Kidnapperin sah. Es bewegte sich deshalb so unnatürlich, weil auch der Untergrund nicht eben war. Die Straße hatte noch unter den Frostschäden des Winters zu leiden, und so erlebte der Van ein ständiges Auf und Ab.
Mona saß so, dass sie Vanessas Beine zurückdrückte und sie gegen die Rückenlehne presste.
Vanessa dachte darüber nach, wie schnell alles gegangen war. Sie hatte überhaupt keine Chance bekommen, sich zu wehren. Wie ein Fluch war das Schicksal über sie hereingebrochen. An ein Entkommen war nicht zu denken gewesen. Die Geschwister waren höllisch auf der Hut gewesen. Mit ihren schwachen Kräften hatte Vanessa nicht die Spur einer Chance gehabt.
Und auch
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