1316 - Vampirhölle
jetzt nicht. Sie lag zwar starr, das innerliche Zittern aber war geblieben. Das nicht nur wegen ihrer Bewacherin, denn Mona hatte ihr auch gesagt, wohin sie fahren würden.
Es war die Kapelle mit den Särgen!
Mehr hatte sie nicht hinzugefügt, aber ihr nachfolgendes Lächeln hatte Bände gesprochen. So wusste Vanessa auch ohne Erklärungen Bescheid, was ihr bevorstand.
Sie würde ihr Blut verlieren und ebenfalls zu einer Wiedergängerin werden, die ihren Schlafplatz in einem der Särge fand.
Das hatte nichts mehr mit ihrer Bestimmung und dem Hobby als Schwarze oder als Gruftie zu tun. Das Spiel war kein Spiel mehr.
Aus dem Hobby war tatsächlich blutiger Ernst geworden.
Mona konnte es sich nicht verkneifen, hin und wieder ihren Mund zu öffnen. Voller Stolz und Siegessicherheit präsentierte sie dabei ihre Zähne. Die beiden Vampirhauer mit den langen Spitzen waren überdeutlich zu sehen, und Vanessa wunderte sich darüber, dass sie sich noch nicht in ihren Hals gebohrt hatten.
Aber diese Person schaffte es, sich noch zurückzuhalten, auch wenn es ihr schwer fiel, denn immer öfter leckte sie voller Vorfreude über ihre Lippen.
Wohin sie fuhren, das wusste Vanessa. Aber den Weg konnte sie nicht sehen. Wenn sie gegen die Seitenscheiben schaute, dann sah sie an ihnen eine Mischung aus hellen und dunklen Flecken entlangwischen, aber die Dunkelheit herrschte vor. Lichter spiegelten sich nicht in den Scheiben, und so ging sie davon aus, dass sie London schon längst verlassen hatten.
Die Kapelle lag nicht unbedingt in der Einsamkeit. Das ländliche und einsame Gebiet gehörte durchaus zu der Millionenstadt, und zu bestimmten Zeiten, wenn in Wembley gespielt wurde, herrschte dort auch mehr Betrieb. Das alles waren nur Gedankenfetzen, die Vanessa auch nicht weiterhalfen.
Die Geige und den Bogen hatten sie mitgenommen. Die beiden Geräte lagen im Fußraum zwischen den Sitzen, und Vanessa hoffte, dass ihnen nichts passierte und sie nicht beschädigt oder zerstört wurden. Sie wunderte sich selbst darüber, dass sie in ihrer Lage so dachte, aber Geige und Bogen waren für sie das Wichtigste überhaupt. Ohne sie zu leben, konnte sie sich nicht vorstellen.
Auch als Vampir?
Mehrere Male hatte sie darüber nachgedacht, und so war sie schon mit dem Gedanken vertraut, bald ihr Blut verlieren zu müssen. Sie hatte erlebt, mit welch einer Kraft und Intensität Mona den Barkeeper angefallen hatte. Dann hatte sie ihn nicht losgelassen und sich regelrecht an ihm festgebissen und ihn bis auf den letzten Tropfen Blut leer gesaugt. So zumindest stellte sich Vanessa es vor.
Sie erinnerte sich auch an John Sinclair und Suko. Zuerst hatte sie ihnen nicht geglaubt. Wenig später waren die beiden praktisch zu Hoffnungsträgern geworden, aber auch sie waren jetzt nur eine Erinnerung, die wie eine Seifenblase zerplatzt war.
Mona und Mike hatten genau den richtigen Moment abgewartet und sich eben das geholt, was sie wollten.
Eine Hand näherte sich Vanessas Gesicht. Sie war gespreizt, und wenig später spürte sie die Kuppen auf ihrem Gesicht. Sie strichen mit langsamen Bewegungen nach unten, waren eiskalt, und Vanessa konnte nicht vermeiden, dass sie zusammenschauderte.
»Angst?«, flüsterte Mona.
Die Musikerin musste sich räuspern, bevor sie etwas erwidern konnte. »Warum tut ihr das?«
»Ha, ha, weil wir Blut brauchen. Ja, wir ernähren uns vom Blut der Menschen, das weißt du doch.«
»Aber ich…«
»Gerade du, meine Liebe. Ja, du bist uns wichtig. Wir kennen uns, und wir haben uns unsere Freunde ausgesucht. Du wirst an unserer Seite bleiben. Wir werden zu dritt in der Kapelle bleiben. Ein Sarg wird dein Bett werden. Wir werden dich hineinlegen, nachdem wir von deinem Blut getrunken haben, und wenn du erwachst, ist aus dem Duo ein Trio geworden. So einfach ist das.«
Ja, es war so einfach. Allerdings für Mona und nicht für Vanessa, die plötzlich glaubte, in einem bösen Traum zu stecken. Das war alles nicht so geplant gewesen. Ihr Leben hatte sich völlig verändert. Noch war sie ein Mensch, würde das jedoch nicht mehr lange bleiben. Noch in dieser Nacht fand der Überfall statt, dann würden sich Zähne in ihren Hals bohren, um an ihr Blut zu kommen.
Die Angst war stärker als ihre eigene Kraft, sich zusammenzureißen. Sie fing an zu zittern, und sie spürte auch den kalten Schweiß am gesamten Körper. Da erinnerte sie die Furcht an einen Nagel, der immer tiefer in ihre Seele getrieben wurde.
Es gab keinen
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