1316 - Vampirhölle
Ausweg. Nicht bei den beiden Prinzen. Vanessa kannte sie gut. Es war schon immer ihr Traum gewesen, Vampire zu sein. Bei ihnen konnte man nicht von einem Hobby oder einem Spiel sprechen. Schon als normale Menschen hatten sie versucht, diesen Traum zu leben und ihn auf irgendeine Art und Weise wahrzumachen.
Der Wagen wurde fast ohne abzubremsen in eine Linkskurve gezogen. Mike fuhr wirklich einen heißen Reifen, und Mona hielt die Musikerin fest, damit sie nicht vom Sitz rutschte.
Der folgende Weg wurde zu einer Tortur. Der Wagen bewegte sich auf und nieder. Sicherlich rollten sie jetzt über einen schmalen Weg, der nicht asphaltiert war. Ein Feldweg, dachte Vanessa. Und genau so eine Strecke führte auch zum Ziel. Noch gestern hatte es ihr Spaß gemacht, in der Kapelle zu sein, auf einem Sarg zu sitzen und mit Hilfe der Geige die traurigen Melodien zu spielen, die zu der Umgebung passten. Das war nun vorbei. Das Hobby war gestrichen worden. Der blutige Ernst des Lebens hatte sie eingeholt. Genau dagegen wehrte sie sich, ohne allerdings etwas in die Wege leiten zu können.
Mit einem letzten Ruck stoppte der Wagen. Allerdings nur für einen Moment. Dann fuhr er rückwärts, und Vanessa hörte am Heck das Rascheln und auch Knacken von Zweigen.
Er blieb stehen.
Mike stellte den Motor ab.
Dann drehte er sich um. Er konnte Vanessa kaum sehen, weil sie tiefer lag und es recht dunkel war. Deshalb wandte er sich an seine Schwester. »Wie geht es ihr?«
Mona hielt das Lachen nicht zurück, bevor sie sagte: »Wie soll es ihr schon gehen? Sie hat nicht damit gerechnet, eine von uns zu werden, wenn du verstehst.«
»Klar«, flüsterte Mike scharf. »Aber bald wird sie ihr altes Leben vergessen haben.«
»Das glaube ich auch.«
Vanessa wollte schreien, dass so etwas nicht stimmte. Nie würde sie ihr Leben vergessen. Was hatte es für einen Sinn? Die beiden anderen hielten die Trümpfe in den Händen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen.
Neben ihr bewegte sich Mona, weil sie gesehen hatte, dass auch ihr Bruder Anstalten traf, den Van zu verlassen. Fast gleichzeitig stiegen die Geschwister aus.
»Jetzt du, Vanessa.«
Die Musikerin war vom langen Liegen steif geworden. Ihre Muskeln schmerzten leicht, als sie die Beine anzog. Mona hatte die hintere Tür nicht geschlossen, und so wehte der kühle Wind der Nacht in den Wagen.
»Komm schon raus!«
»Ja, ja…«
Vanessa stieg aus. Aber sie drückte ihren Oberkörper noch mal in den Wagen hinein, machte die Arme lang und nahm die Geige und den Bogen. Ohne ihr Instrument würde sie nicht gehen.
Mike kam um den Wagen herum. Er stellte sich neben Vanessa.
An der anderen Seite berührte sie Monas Körper. Es war still. Es war finster.
Wind fuhr mit rauschenden Geräuschen heran. Er hatte auf seinem Weg zum Ziel bereits mit dem frischen Laub der Bäume gespielt.
Die Umgebung war ihr nicht neu. Wenn Vanessa sich drehte, würde sie die Kapelle sehen, die von nun an so etwas wie ein Zuhause sein sollte. Eine schreckliche Vorstellung für sie als Mensch.
Für einen Vampir war es die Normalität.
»Komm weiter!«
Mona drehte die Musikerin herum und blieb auch an ihrer Seite, als sie auf die Kapelle zugingen. Sie stand wie ein Klotz in der Landschaft. Aber sie war auch schwer zu entdecken, da sie von drei Seiten so gut wie zugewachsen war. An der noch offenen Seite befand sich die Eingangstür. Mike zog sie auf.
Ein hässliches Kratzen oder Knirschen durchwehte die Stille. Es sorgte für einen Schauer auf dem Körper der Künstlerin.
Mike betrat die Kapelle, in deren Innern sich die Dunkelheit ausgebreitet hatte. Das sollte nicht so bleiben, denn der Vampir zündete einige Kerzen an. Der Reihe nach fingen die Dochte Feuer und trieben die Dunkelheit zurück.
Vanessa stand auf dem Fleck wie festgewachsen. Sie sah sehr bald auf ein bekanntes Bild, das sie auch gemocht hatte, das sie jetzt jedoch kaum anschauen wollte.
Das Spiel war vorbei. Es würde zu einem blutigen Ernst kommen, der ihr weiteres Schicksal bestimmte.
Leben in einer anderen Ebene. Als Untote existieren. Auf der Jagd nach dem Blut der Menschen sein. Genau das würde sie antreiben, wenn es so weit war.
Sie wollte es nicht. Sie wollte es nicht dazu kommen lassen. Der Gedanke an Flucht stieg in ihr hoch. Ihn schnell in die Tat umzusetzen, war vielleicht die letzte Rettung.
Ein schneller Blick hin zu Mona.
Sie schaute nach vorn in die Kapelle hinein.
Jetzt oder nie.
Vanessa rannte
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