1316 - Vampirhölle
zeigte einen Erfolg, denn sie drehte mir ihren Kopf zu.
»Was werden Sie jetzt mit mir machen?«, flüsterte sie.
Es ist immer gut, wenn man lächelt. Das tat ich auch in dieser düsteren Umgebung, wo eigentlich nur aus dem gefärbten Totenkopf ein violettes Licht strahlte. Wer hier zahlen wollte, hatte Mühe, sein Geld zu finden.
»Ich werde Ihnen sagen, dass wir Ihnen dankbar sind, Vanessa.«
Das glaubte sie nicht. Verwundert schaute sie mich an, zog ihre Hände weg und strich eine Strähne des lackschwarzen Haars aus der Stirn. Die Farbe war zu dunkel, um natürlich zu sein.
»Dankbar?«, wiederholte sie.
»Ja.«
»Warum denn?«
»Weil Sie das Richtige getan haben, Vanessa. Sie sind geflohen. Sie haben die Gäste hier warnen wollen, und sie hätten Ihnen sicherlich auch geglaubt. Davon gehe ich aus. Was Sie alle hier bisher getrieben haben, ist nur ein Spiel gewesen. Zwar ein sehr außergewöhnliches, doch letztendlich ist es dabei geblieben. Was nun folgt, ist kein Spiel mehr, denn mein Freund und ich wissen, dass es die Vampire tatsächlich gibt und sie eine Gefahr für die Menschen sind.«
Sie senkte den Kopf. Ich wusste, dass sie nachdenken musste.
»Ja«, flüsterte sie dann. »Ich habe es ja selbst erlebt. Jetzt hat Mike das erreicht, was er immer wollte.«
»Und Mona sicherlich auch«, fügte Suko hinzu.
»Sie gehören zusammen. Beide sind immer gemeinsam aufgetreten. Nie war einer alleine hier im Lokal. Sie kamen immer zu zweit. Sie sind unsere Prinzen, auch wenn Mona kein Mann ist. Aber sie glichen sich einfach zu sehr. Man musste schon genauer hinsehen, um sie unterscheiden zu können. Hier in der Düsternis war das kaum möglich. Nur wenn sie sprachen, hörten wir die Unterschiede.«
»Wir werden sie erwarten«, sagte Suko und fügte eine Frage hinzu, mit der auch ich sehr einverstanden war.
»Was haben Sie eigentlich getan, wenn sie hier gewesen sind?«
»Wir haben sie mit ihren Raubtiergebissen erlebt und wurden auch von ihnen angegriffen, weil sie unser Blut wollten.«
»Das ist es eben, Suko. Das Blut.«
»Und das haben sich die Gäste hier gefallen lassen?«
»Ich weiß es nicht.«
Suko schüttelte den Kopf. »Wieso wissen Sie das nicht?«
»Sie taten es nie hier.«
»Wo dann?«
Vanessa senkte den Kopf. »Sie sind mit ihnen immer weggegangen. Hier gibt es einen Keller. Das war ihr Revier.«
Es lag fast auf der Hand. Wäre ich an Stelle der Geschwister gewesen, hätte ich ebenfalls nicht anders gehandelt. Zu viele Zeugen wären zu viele Zuschauer gewesen. In einem Keller allerdings hatte das verfluchte Paar freie Bahn gehabt.
Suko schaute Vanessa an. »Haben Sie mit eigenen Augen gesehen, wie die Geschwister mit einem der Gäste oder mehreren von ihnen in einem Keller verschwunden sind?«
Vanessa überlegte. Mittlerweile wussten wir, dass sie mit Nachnamen Drake hieß. Ihr Blick glitt durch das Lokal, und sie schien alles in sich einsaugen zu wollen. Der Raum hatte sich mittlerweile gefüllt. Von meiner Sicht aus gesehen waren es obskure Gestalten, die sich hier versammelt hatten. Eine normale Straßenkleidung trug keiner von ihnen. Schwarz gewandet. Leder und Samt. Viele Rüschen. Viel Schmuck. Silbrig auf dem dunklen Stoff schimmernd.
Haare, die in allen Farben des Regenbogens gefärbt waren. Deren Träger hatten sie zu exotischen Frisuren gekämmt und sich auch entsprechend geschminkt. Über den Boden glitten sie hinweg wie Nebelgeister. Aus irgendwelchen Öffnungen drang der Rauch einer Nebelmaschine.
Künstliche Feuer glühten in kleinen Nischen, die erst jetzt auffielen. Die Menschen, die in deren Nähe saßen, sahen aus, als wären ihre Gesichter mit einem blutigen Schein überzogen worden.
Live-Musik gab es noch immer nicht, denn Vanessa blieb weiterhin bei uns sitzen und kümmerte sich nicht um die Geige, die sie neben ihren Stuhl gelegt hatte. Bei dieser Atmosphäre hatte sich der Raum wirklich in eine Vampirhölle verwandelt.
Wir hörten nur keine Schreie. Niemand wurde gequält. Alle hatten die Hölle freiwillig betreten.
Viele Tische waren jetzt besetzt. Draußen hatte sich um diese Zeit bereits die Dämmerung verabschiedet, um der dunklen Zone der Nacht Platz zu schaffen. Es sah so aus, als würden die Gäste hier aufleben, um die nächsten Stunden zu genießen.
Aber nicht alle Gäste saßen, von denen an der Theke mal abgesehen. Es gab genügend, die durch den großen Raum wandelten und dabei wie Schlafwandler und selbstvergessen wirkten. Sie schauten
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