1322 - Das Grauen von St. Severin
den Augen. Nach wie vor waren sie nach vorn gerichtet und ihr Interesse galt einzig und allein mir.
Aber die Augen besaßen kein Leben. Es war nur diese unheimliche rote Färbung zu sehen, die ich gut kannte, denn die gleiche hatte ich beim Mörder-Mönch gesehen.
Und bei meinem letzten Fall, als der Spuk erschienen war. Hatte er auch hier seine Zeichen hinterlassen?
Sekunden waren verstrichen. Ich hatte mich mittlerweile auf Claasen eingestellt und nestelte an der Kette, an der mein Kreuz hing. Ich zog es an der Brust hoch und als es freilag, da deckte ich es mit der Hand ab, so dass Claas es nicht sah. Meine Finger glitten über das Metall hinweg, weil ich fühlen wollte, ob es sich erwärmt hatte, was aber nicht der Fall war.
Die Hände des Mannes waren längst wieder nach unten gesunken. Er atmete noch, aber er röchelte auch, und vor seinen Lippen sah ich kleine Speichelbläschen zerplatzen.
Ich kannte den Hotelier wirklich als einen freundlichen und netten Menschen und auch als guten Familienvater, der sehr stolz auf seine drei Kinder war. Nun war er nicht mehr wiederzuerkennen.
Andreas Brass schwieg auch. Der Platz vor der Theke war ihm plötzlich zu ungemütlich geworden. Er rutschte zur Seite hinweg, um an die Lücke zu gelangen, die zwischen zwei Bänken gelassen worden war, um den entsprechenden Platz zu schaffen.
Genau diese Bewegung gefiel Claas Claasen nicht. Er veränderte sich innerhalb von zwei Sekunden. Er riss seinen Mund auf. Wir hörten einen Schrei, wie ich ihn ihm nie zugetraut hätte. Nicht unbedingt so laut, aber röchelnd und scharf. Als hätte ein Tier geschrien, das in seinem Innern steckte und sich nun freie Bahn verschafft hatte.
Es blieb nicht nur beim Brüllen. Mit einer blitzschnellen Handbewegung fegte er die Wasserflaschen und die Gläser von der Theke weg. Durch die Wucht des Treffers wurden die beiden Flaschen in die Höhe geschleudert. Ich saß im Weg und brachte meinen Kopf nicht schnell genug zur Seite. Die untere Flaschenseite erwischte mein Kinn völlig unvorbereitet. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, von einem Pferdehuf getroffen zu werden, und ich verlor den Überblick.
Claas Claasen handelte katzenhaft schnell. Er war jetzt ein Besessener, in dem das Feuer einer anderen Macht steckte. Und er war schneller als ich, weil ich mich noch finden musste.
Um die Bar zu verlassen, brauchte er nicht den gleichen Weg zu nehmen wie wir. In der Mitte der Rückseite befand sich eine Tür.
Durch sie erreichte er den Hotelflur und fand auch dort seinen Weg in die Wohnung oder zum Ausgang.
Andreas Brass huschte an mir vorbei.
Er riss bereits die normale Bartür auf, als ich mich durch die Lücke zwischen den Sitzbänken schob. Den Treffer hatte ich mittlerweile verdaut. Er war nicht der erste, der mich erwischt hatte.
Trotzdem lief ich etwas schwankend an den Fenstern entlang zur Tür hin, die noch nicht wieder zugefallen war. Ich riss sie ganz auf und sah etwas, das unheimlich schnell ablief, mir aber trotzdem sehr langsam und zeitverzögert vorkam, weil ich auch die Einzelheiten mitbekam.
Es war Andreas Brass gelungen, den Hotelier zu stellen. Hinter der Rezeption stand eine Mitarbeiterin in ihrem Schrecken erstarrt, denn auch sie bekam mit, was Claasen mit seinem Gegner anstellte.
Brass hatte zugreifen wollen. Mit einem harten Schlag fegte Claas ihm die Hände zur Seite, und dann griff er selbst zu. Wieder hörten wir seinen Schrei und plötzlich verlor Andreas den Boden unter den Füßen. Einen Lidschlag später verwandelte er sich in ein lebendes Wurfgeschoss, das auf ein bestimmtes Ziel zuflog.
Leider war ich es.
Das Ducken brachte mir auch nicht mehr viel. Der Körper drehte sich fast um die eigene Achse und erwischte mich mit den Beinen.
Diesmal ging ich zu Boden. Andreas fiel auf mich. Dass Claas Claasen die Tür aufriss und aus dem Hotel floh, bekam ich optisch nicht mit, denn ich musste mich von dem Körper befreien.
Uns beiden ging es nicht gut. Wir kamen zwar auf die Beine, aber normal standen wir nicht, und ich sah auch, wie Andreas den Kopf schüttelte.
»Verdammt, das war nicht vorgesehen.«
»Sind Sie verletzt? Haben Sie Schmerzen?«
»Nur wenn ich lache.«
»Okay.« Ich besaß zwar keine Knochen aus Eisen, aber verstaucht hatte ich mir nichts und eilte so schnell wie möglich auf die Tür zu, die wieder zugefallen war. Sie ließ sich recht schwer öffnen. Wie alle Türen auf der Insel ging sie nach außen auf, so dass bei starkem Wind der
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