1322 - Das Grauen von St. Severin
anfahrenden Mercedes der S-Klasse zu.
Es war ein dunkles Fahrzeug, das vom Weg her nach links auf den Parkplatz einbog.
Die hinteren Fenster waren verhängt oder dunkel getönt. Mir kam es vor, als führe ein Leichenwagen auf das Grundstück.
Der Mercedes war erwartet worden, denn Friedhelm Kohl winkte dem Fahrer entgegen und ließ ihn dann in eine Parktasche rollen.
»Wer ist das denn?«, flüsterte Andreas Brass neben mir.
»Keine Ahnung.«
»Der Wagen sieht unheimlich aus.« Er musste lachen. »Na ja, vielleicht bin ich auch vorbelastet. Hätte mich nicht gewundert, wenn ich hinter den Scheiben ein rotes Augenpaar gesehen hätte.«
»So schlimm wird es auch nicht sein.«
Zwei Menschen stiegen aus dem Mercedes. Ein recht großer Mann und eine Frau. Sie war zierlich und wirkte elegant. Der Wind spielte mit ihrem Haar, und sie nahm eine leichte Sommerjacke, die sie über die Schultern hängte.
Der Mann besaß graues Haar, einen Oberlippenbart und trug ein blassgrünes Hemd unter der dünnen rehbraunen Wildlederjacke.
Von Friedhelm Kohl wurden die beiden herzlich begrüßt. Gepäck holten sie nicht aus dem Kofferraum. Das Paar begnügte sich mit einer Reisetasche.
Zu dritt schlenderten sie auf den Hoteleingang zu.
»Kommen Sie«, sagte ich zu Andreas Brass und zog ihn am Ärmel auf die Tür zu.
»Was haben Sie vor?«
»Mäuschen spielen.«
Sehr schnell erfuhr er, was ich damit meinte. Zwischen Eingang und Rezeption gab es eine Bank, auf der wir beide unsere Plätze fanden.
»Gute Idee«, lobte Andreas.
Schon wurde die Tür aufgestoßen. Die drei Gäste betraten das Hotel und waren dabei in ein Gespräch vertieft. Auf uns achteten sie nicht. Wir waren für sie normale Gäste.
»Es ist alles so, wie Sie es gewünscht haben«, sagte Friedhelm Kohl. »Sie werden zufrieden sein, Herr Hoff.«
»Na hoffentlich«, sagte die blonde Frau, schüttelte ihr Haar aus und schaute sich um. Als ihr Blick uns streifte lächelte sie und wir lächelten zurück.
An der Rezeption wurden sie begrüßt. Herr Hoff fragte nach Claas Claasen und bekam zur Antwort, dass er momentan außer Haus wäre.
»Wann kehrt er zurück?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
»Macht nichts. Wir haben sowieso noch zu tun.«
»Was ist mit Ihrem Gepäck, Herr Hoff?«
»Das holen wir später.«
»Gut. Soll jemand Sie auf das Zimmer begleiten oder…«
»Nicht nötig. Wir kennen uns aus. Es ist das gleiche Zimmer, das wir immer nehmen.«
»Danke.«
Die Formalitäten waren erledigt und Friedhelm Kohl mischte sich wieder ein. »Ich kenne Ihre genaue Zeiteinteilung nicht, Frau und Herr Hoff, aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, können wir sofort hoch zur Kirche gehen.«
Ich bekam große Ohren. Auch Andreas Brass rutschte neben mir hin und her. Es stand für uns beide fest, dass die Hoffs nicht in die Kirche wollten, um dort zu beten. So wie sie mit Friedhelm Kohl zusammenstanden, sah das schon sehr nach einem vorbereiteten Treffen aus.
Die Hoffs schauten sich an.
»Was meinst du, Elke?«
»Ich habe nichts dagegen, Hans. Ich möchte nur noch für einen Moment aufs Zimmer. Dann können wir fahren. Es wäre gut, wenn wir uns das Objekt im Hellen ansehen. Keiner von uns will die Katze im Sack kaufen.«
»Einverstanden.«
»Dann warte ich hier auf Sie«, erklärte Herr Kohl.
»Klar, das können Sie.«
Hans Hoff verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Wir waren ja mit Herrn Becker verabredet. Befindet er sich im Hotel oder…«
»Er ist schon am Treffpunkt. Mir hat er Prokura gegeben. Ich bin eingeweiht.«
»Das ist dann positiv.«
»Sie sagen es.«
Hans Hoff nahm sein Gepäck auf. Er und seine Frau verschwanden im Gang neben der Rezeption. Er war sehr hell.
Durch die große Glasscheibe an der rechten Seite fiel das Licht ins Haus und verteilte sich auf dem mit kleinen Terrakotta-Fliesen bedecktem Boden.
Friedhelm Kohl drehte sich um, lächelte uns knapp zu und verschwand im Flur hinter der Bank. Für den Moment waren Andreas Brass und ich allein.
»Wissen Sie, wie mir das vorkommt, John?«
»Nein.«
Andreas schlug auf seinen rechten Oberschenkel. »Ich habe das Gefühl, vor einer Bühne zu sitzen, auf der ein Theaterstück abläuft. Ein Schauspiel, bei dem nach und nach alle Akteure auftreten, um sich später zu einem Finale zusammenzufinden.«
»Das kommt schon hin. Aber leider ist dieses Stück ein Drama und keine Komödie.«
»Das befürchte ich auch. Und was machen wir?«
»Wir mischen im Finale mit.«
»An der
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