1324 - Der Angriff
war damals riesengroß gewesen.
Das war er jetzt auch noch. Nur eben aus anderen Gründen, weil der Schwarze Tod ihm sein Reich wegnehmen wollte, und das schien ihm tatsächlich gelungen zu sein.
Die Ruhe, die Justine umgab, gefiel ihr gar nicht. Es war für sie eine bedrückende Stille. Selbst die Schreie waren nicht mehr zu hören. So musste sie sich mit dem Gedanken abfinden, dass die Blutsauger nicht mehr so existierten, wie sie es sich gern vorgestellt hätte. Sie waren auch nicht mehr als leblose Kadaver, und die fliegenden Killer waren über sie hinweggekommen wie eine tödliche Flut.
Sie entfernte sich vom Ort des Grauens. Wieder schaute sie zum dunklen Himmel. Es gab nur noch wenige Flugmonster, die dort ihre Kreise zogen. Zumindest in dieser Höhe. Wenn sie höher flogen, wurden sie verschluckt.
Justine merkte den leichten Druck in ihrem Körper. Da reagierte sie wirklich wie ein Mensch. Auch die Gefühle entsprachen denen eines Menschen. Sie verließ den alten Friedhof, der wirklich zu einer Stelle der Vernichtung und des Todes geworden war, um tiefer in die Vampirwelt hineinzuschreiten. Sie wollte wissen, was geschehen war. Ob es noch Blutsauger gab, auf die sie sich verlassen konnte.
Es gab sie. Aber sie konnte sich nicht mehr auf sie verlassen, denn die Masse der Flugmonster hatte ganze Arbeit geleistet. Die Körper lagen am Wegrand. Man hatte sie regelrecht zerstört und zerrissen. Einige »lebten« noch, aber sie besaßen keine Glieder mehr wie früher. Einigen fehlten die Arme, anderen hatte man die Beine abgerissen. Als Justine sie passierte, öffneten und schlossen sie ihre Mäuler und reagierten wie Fische, die nach Luft schnappten, obwohl sie als Vampire nicht zu atmen brauchten.
Wenn Justine stehen blieb und in die Gesichter schaute, erkannte sie die flehenden Blicke. Helfen konnte sie auch nicht. Die Blutsauger mussten sich selbst helfen, und wenn sie es schafften, sich in die Höhe zu stemmen, bewegten sie sich wie Krüppel weiter. Eine Gefahr stellten sie nicht mehr dar.
Justine wusste nicht genau, wie viele dieser Vampire in der Welt existierten. Doch sie ging jetzt davon aus, dass es keinen normalen Blutsauger gab. Die Angreifer waren einfach zu stark gewesen.
Auch sie wäre zerrissen worden, hätte sie sich nicht so stark gewehrt.
Es war vorbei. Nichts würde mehr sein wie sonst. Man hatte dem Schwarzen Tod den Weg bereitet.
Am Beginn eines Hohlwegs blieb sie stehen. Rechts bildete das dunkelgraue Gestein so etwas wie eine Böschung, auf der ebenfalls der graue Staub wie angeklebt lag. Wenn sie diesen Weg weiterging, würde sie in ein noch unwirtlicheres Gelände dieser Vampirwelt gelangen. In eine Felsenregion, in der es überhaupt kein Leben gab. Sie wusste auch nicht, ob ihre Artgenossen sich dort aufhielten.
Sie hätte es sich gewünscht, aber das musste alles abgewartet werden.
Andere Antworten waren für sie wichtiger. Wo steckte Will Mallmann, alias Dracula II?
Diese Frage konnte sich Justine Cavallo nicht beantworten. Sie suchte den Himmel ab, doch zu finden war nichts. Da gab es keine Bewegung mehr. Die Schwärze war vorhanden. Das riesige Tuch, das sich in die Unendlichkeit hineinzog, das unter Umständen mehrere Welten miteinander verband, blieb leer.
Flucht?
Sie beschäftigte sich automatisch mit diesem Gedanken, obwohl sie es nicht einsehen konnte. Justine wollte einfach nicht glauben, dass sich Mallmann zurückgezogen hatte. Das war nicht seine Art.
Er gehörte zu denjenigen, die nie aufgaben.
Dracula II war nicht nur mächtig, sondern auch schlau. Er sah ein, dass es nicht leicht war, gegen den Schwarzen Tod zu bestehen.
Er konnte sich nicht einfach zum Kampf stellen. Er hätte vor ihm fliehen, ihn jedoch nicht vernichten können.
Genau darüber dachte Justine nach. Dracula II war geflohen, und sie ging davon aus, dass es sich dabei um eine taktische Flucht handelte. Er würde sich zwar verstecken, aber er würde auch immer wieder Kräfte sammeln, um dann zuschlagen zu können. Er war ein Spieler. Er steckte voller Raffinesse. Er kannte seine Welt, und er kannte auch die Tricks. Bei einem offenen Kampf wäre er unterlegen, ebenso wie sie. Das gab Justine Cavallo zu. Sie war ehrlich gegen sich selbst und wusste ihre Möglichkeiten genau einzuschätzen.
Justine war jemand, der in Bewegung bleiben musste. Sie gehörte nicht zu denen, die lange in irgendwelchen Särgen lagen und auf günstige Gelegenheiten warteten, um an die Nahrung zu kommen.
Sie unternahm
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