133 - Die Höllenmühle
von Sinnen, als die Dunkelheit sich wie ein Mantel über ihn senkte,
die Bodenklappe wie von unsichtbaren Händen wieder nach oben gedrückt wurde und
ihre alte Stellung einnahm.
»Gerd!« Hans Clausen, ein hagerer Typ mit
knochigem Körperbau, fuhr auf der Stelle herum, als der Schrei durch die Mühle
hallte.
Der Zwanzigjährige rannte aus der Kammer an
der Treppe vorbei, blickte sich nervös und ängstlich um. »Gerd? Was ist denn
los? Was ist denn passiert ?« kam es erregt über seine
Lippen.
Er konnte seinen Freund, den er vor wenigen Augenblicken
in Höhe der Treppe allein zurückgelassen hatte, nicht mehr finden.
Zehn Minuten suchte Clausen die Mühle nach
seinem Begleiter ab, ohne eine Spur von ihm zu entdecken.
Dann verließ er bleich und wie von Sinnen den
alten Bau, rannte hinüber ins Wohnhaus, warf sich seinen Regenmantel wieder
über die Schultern, packte sein Rad, schwang sich darauf und sauste los, ohne
Rücksicht auf Wind und Wetter. Clausen war nur von dem Gedanken beseelt, so
schnell wie möglich aus der Nähe Hilfe zu holen oder durchzufahren bis nach
Amsterdam, wenn es sein mußte. Während er durch den wolkenbruchartigen Regen
radelte, begann rund drei Meter unterhalb der Bodenplatte Gerd Berger sich
wieder zu regen.
Er kam auf einem dicken Strohlager zu sich.
Der Boden der rätselhaften Falle war mit Stroh gepolstert. Nur dieser Tatsache
hatte er es zu verdanken, daß er keine Verletzung davongetragen hatte.
Leise stöhnend richtete Berger sich auf,
schüttelte sich benommen und tastete nach seinem Hinterkopf, in dem ein dumpfer
Schmerz bohrte.
Gerd Berger öffnete die Augen.
Die Dunkelheit ringsum war durch unruhigen
Lichtschein gespenstig aufgelockert, als würden irgendwo in der Finsternis
Kerzen oder Petroleumlampen brennen.
Schwerer, rasselnder Atem . . .
Berger nahm ihn in dem Augenblick war, als er
den Kopf wandte, er es aber nicht mehr schaffte, ihn ganz zu drehen.
Ein Urlaut hallte durch die beklemmende
Atmosphäre. Dann preßte eine dicke, fleischige Hand seinen Mund, und der
Deutsche wurde mit roher Gewalt über das Strohlager gezogen, als wäre er so
leicht wie eine Feder.
*
Zwischen Lars Laasen Mitteilung und der Reaktion Larry Brents waren keine drei Sekunden vergangen.
Und doch kam X-RAY-3 zu spät.
Er tauchte neben dem Kommissar auf und
starrte auf die Straße. »Die Kutsche? Welche Kutsche, Kommissar? Ich kann keine
sehen .«
Lars Laasen war weiß wie ein Leintuch. »Zu
spät, Mister Brent! Sie kommen zu spät. Eben ist das Gefährt des Satans da vorn
rechts in der Gasse verschwunden. Es war genau wie in der letzten Nacht. Wieder
saß er auf dem Kutschbock, und eine rote Aura umhüllte ihn. Er war eingehüllt
in einen schwarzen, weiten Umhang, aus dem nur seine langen, knochigen Finger
und sein spitzes, teuflisches Gesicht ragten .«
»Dann nichts wie ihm nach. Wir dürfen keine
Zeit verlieren .«
Larrys Worte rissen auch den Kommissar aus
seiner Erstarrung, und er stolperte dem PSA-Agenten nach, der der Tür
entgegenflog, sie aufriß, durch das Vorzimmer eilte und dann auf den Korridor
lief.
Im Telegrammstil gab Laasen seiner
Vorzimmerdame einige Anweisungen und folgte Brent, der bereits am Aufzug
wartete. Der Etagenknopf leuchtete auf, der Lift öffnete sich.
Die beiden Männer fuhren nach unten.
Vor dem Eingang des Kommissariats stand
Laasens Dienstwagen, ein schwarzer Opel.
Seit der Sichtung des Satansgefährtes und der
Aufnahme der Verfolgung waren keine zwei Minuten vergangen.
Laasen startete und riß den Wagen herum. Er
fuhr die holprige Straße entlang, auf der der Regen fontänenartig aufspritzte,
und näherte sich der Kreuzung, wo die Kutsche mit den beiden schwarzen Pferden
abgebogen sein sollte.
Auf den Straßen war um diese frühe
Mittagsstunde so gut wie kein Mensch. Es schien, als hätte das scheußliche
Wetter die Passanten in die Häuser getrieben. Auch die Autofahrer machten sich
rar.
Der Regen klatschte so dicht herunter, daß
man kaum die Hand vor Augen sah. Die Scheibenwischer bemühten sich unablässig
und vergebens, die Regenmassen wegzuwischen.
Laasen saß nach vorn gebeugt. Er fuhr
übermäßig schnell in die enge, holprige Gasse mit den verwinkelt stehenden
Häusern.
Drei Minuten später erreichten sie eine
weitere Straßenkreuzung. Von hier aus gab es drei mögliche Richtungen, die dem
Satanskutscher zur Wahl standen.
»Da ist guter Rat teuer«, murmelte der
Kommissar. Nervös blickte er nach allen Seiten und
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