1330 - Die Kopfgeldjägerin
bist du ebenfalls tot. Also überlege es dir genau, meine Liebe!«
Himmel, die Stimme!
Ich kannte sie. Es war keine Täuschung. Da hatte eine mir bekannte Person eingegriffen, und sie war bereit, mich vor einem schrecklich Ende zu bewahren.
Die Frau, die gesprochen hatte, war keine Geringere als die blonde Bestie Justine Cavallo…
***
Eine Halluzination? Ein Wunschtraum? Etwas, dass sich mein Unterbewusstsein herbeigesehnt hatte?
Ich hatte keine Ahnung. Sicherlich machte ich mir zu viele Gedanken. Justine war gekommen. Ganz einfach. Sie hatte den Friedhof betreten und griff nun ein.
Aber würde sie es auch schaffen, diese Elsa zu überzeugen? Die Frau war eiskalt, sie war ein Profi. Sie wurde engagiert, um Menschen zu töten, und sie hatte verdammt viele Erfahrungen in ihrem blutigen Job sammeln können.
Es waren sicherlich nur Sekunden verstrichen, doch diese Zeitspanne kam mir mehr als drei Mal so lang vor. Noch immer klebte der Schweiß auf meiner Haut, aber ich war innerlich nicht mehr lethargisch, sondern verdammt angespannt.
»Weg mit der Waffe! Weg von Sinclair!«
Ein klarer Befehl. Justine Cavallo hatte ihn gesprochen, und sie würde sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, das stand für mich fest.
Noch immer berührte mich der Revolverlauf. Er hatte sich auch nicht bewegt. Das bewies mir, dass die Person hinter mir sich nicht bewegt hatte und unbeweglich stand.
»Okay, du hast gewonnen!«
Elsas Worte gaben mir Hoffnung. Dann verschwand der Druck der Mündung aus meinem Nacken. Frei durchatmen konnte ich nicht, denn die Gefahr war noch immer vorhanden. Ich wusste auch nicht, ob sich Justine bewaffnet hatte. Normalerweise verließ sie sich auf ihre ungewöhnlichen Vampirkräfte. Damit war sie jedem Menschen überlegen, das hatte auch ich mehrmals zu spüren bekommen.
Die Zeit verstrich quälend langsam. Ich überlegte, wie ich mich verhalten sollte. Der Druck war verschwunden. Ich wurde nicht mehr unmittelbar bedroht und schielte bereits nach meiner Beretta, die außerhalb des Grabes lag.
Ich riskierte es. Drehte den Kopf nach rechts und bewegte dabei auch den Körper.
Leider war der Blickwinkel nicht gut genug, sodass Justine mir noch verborgen blieb. Aber mir fiel Elsa auf, die sich von mir weggedreht hatte. Sie hielt ihren Revoler in der Hand, sie starrte auf die blonde Bestie, die aussah wie immer, und plötzlich schüttelte die Killerin den Kopf.
Ich wusste, warum sie es getan hatte. Sie hatte festgestellt, dass Justine Cavallo keine Waffe trug. Es blieb nicht beim Kopfschütteln, sie musste einfach lachen, und dann tat sie genau das, was sie tun musste.
Sie schoss auf die Blutsaugerin!
***
Die folgenden Sekunden liefen so rasend schnell ab, dass ich Mühe hatte, diesen Zeitablauf überhaupt zu rekonstruieren. Die Stille des Friedhofs wurde vom Krachen der Schüsse zerrissen, und ich bekam während meiner Bewegungen mit, wie Justine Cavallo getroffen wurde.
Ihr Körper zuckte. Sie selbst tanzte fast auf der Stelle und fiel dann zu Boden.
Es war alles, wie es hätte sein sollen. Die Killerin war abgelenkt worden, und so erhielt ich Zeit, mich wehren zu können. Ich wollte und musste eingreifen.
Über das Grab der Lady Sarah rollte ich hinweg, um an die Seite zu gelangen, an der meine Beretta lag. Ich kippte vom Gras weg, lag auf dem Bauch und streckte meinen rechten Arm nach vorn. Wie die Kralle eines Geiers griff meine rechte Hand nach der Beretta und bekam sie auch zu fassen. Im Liegen zu schießen, ist nicht eben das Wahre, auf der anderen Seite aber bot ich kein so gutes Ziel.
Um Justine Cavallo kümmerte sich Elsa nicht. Jetzt war ihr der Auftrag wichtiger. Sie hatte sich gedreht und suchte mich.
Sie sah mich.
Ich sah sie, und meine Waffe spie die geweihte Silberkugel aus, bevor Elsa abdrücken konnte.
Die Killerin zuckte so hart zurück, dass sie den Schwung beinahe für einen Salto ausnutzte. Ich musste sie nur knapp verfehlt haben, doch ich wusste, dass sie nicht aufgab und wir uns auf diesem Friedhof eine Schießerei liefern würden.
Um das durchzuziehen, braucht man Deckung. Die war hier durch die Grabsteine gegeben. Elsa kannte die Regeln ebenfalls. Sie schoss nicht mehr. Mit kurzen, aber sehr schnellen Schritten und dabei Haken schlagend, rannte sie auf einen großen Grabstein zu, der fast die Höhe einer Tür erreichte. Mit einem Hechtsprung war sie dahinter verschwunden.
Ich hatte kein zweites Mal mehr geschossen. Auf allen vieren kroch ich auf eine Deckung
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