1330 - Die Kopfgeldjägerin
Job vorbei war. Dass es anders laufen würde, hätte sie nicht gedacht, nicht mal im Traum.
An der Rezeption erhielt sie die Auskunft, dass kein Anruf für sie eingegangen war, und so fuhr sie dann noch in den achten Stock.
Normalerweise hätte sie sich noch ein gutes Essen gegönnt. Das war für sie so etwas wie ein Ritual nach einem erledigten Auftrag geworden, aber diesmal war es schief gegangen, und sie hatte auch keinen Appetit.
Das Zimmer war Standard. Die übliche Einrichtung, auch das übliche Bad mit recht wenig Platz. Dafür mit einem Fenster versehen, das zum Hyde Park hinausging. Sie konnte einen Blick in diese grüne Oase und Lunge der Millionenstadt werfen.
Darauf verzichtete Elsa. Sie legte sich stattdessen auf ihr Bett und streckte sich aus. Den Blick richtete sie gegen die Decke, wobei sie immer wieder den Eindruck hatte, dass diese Blonde aus ihrem Gedächtnis auftauchte und sich als Bild unterhalb der Decke abmalte.
Das Gesicht würde sie nie vergessen. Auch nicht die Gestalt, die in schwarzes Leder gehüllt war. Als Frau war sie perfekt, auch wenn sie irgendwie künstlich aussah.
Wer war dieses Weib?
Zähne wie Dolche!
Also doch ein weiblicher Vampir?
Ihr Lachen klang laut auf. Es zerstörte die Stille innerhalb des Zimmers. Nur klang es alles andere als fröhlich. Mehr bitter. Die Blonde hatte sie richtig reingelegt. So etwas war ihr noch nie widerfahren, und das wollte sie auch nicht hinnehmen. Es ging gegen ihre persönliche Berufsehre. Bisher war es so gewesen, dass sie die Zeichen setzte. Dass eine andere Person sie neu gesetzt hatte, wollte sie nicht akzeptieren. Die Blonde zu töten, war für sie jetzt schon zu einer Pflicht geworden. Daran gab es nichts zu rütteln.
Natürlich wollte sie auch diesen Sinclair erledigen, doch die Blonde würde sie auf keinen Fall vergessen. Wenn sie Sinclair fand, dann war sie auch in ihrer Nähe, davon jedenfalls ging sie aus, und genau das hätte ihr auch dieser Vincent van Akkeren sagen können.
Er hatte es nicht getan.
Warum? Warum hatte er es verschwiegen? Aus Unkenntnis?
Oder hatte er sie in eine Falle locken wollen?
Das traute sie ihm eigentlich nicht zu. Da konnte sie sich schon auf ihre Menschenkenntnis verlassen, aber sicher war sie sich auch nicht. Deshalb freute Elsa sich darauf, mit diesem Typen persönlich zu sprechen. Das würde nicht mehr lange dauern, denn sie waren für den frühen Abend und noch vor Anbruch der Dämmerung verabredet. Eigentlich in der Hotelbar, doch dort wollte Elsa nicht hin.
Ihre Kehle war trocken. Der Durst konnte schon zur Qual werden. Sie öffnete die Minibar und holte dort eine Flasche Wasser hervor. Die Flüssigkeit trank sie direkt aus der Flasche und freute sich darüber, von innen erfrischt zu werden.
Dann piepte das Telefon.
Elsa stellte die Flasche zur Seite und hob ab.
»Oh, Sie sind im Zimmer?«
»Das bin ich.«
»Waren wir nicht…«
Sie ließ den Anrufer nicht ausreden. »Ich weiß, dass wir in der Bar verabredet waren, aber ich habe es mir anders überlegt. Kommen Sie hoch zu mir.«
Van Akkeren war misstrauisch geworden. »Gibt es Probleme?«
»Kommen Sie hoch!«
»Gut. Welches Zimmer?«
Sie sagte es ihm. Danach legte sich Elsa Gunn nicht wieder zurück aufs Bett. Sie lud ihren Revolver auf, den man ihr hier in London besorgt hatte, und wartete auf van Akkeren, der nicht lange auf sich warten ließ.
Er klopfte nicht mal an, als er die Tür öffnete. Wie ein düsterer Engel rauschte er in das Zimmer hinein und blieb stehen, als ihm Elsa die Hand entgegenstreckte.
»Es reicht. Setzen Sie sich.«
Van Akkeren ließ sich auf das Bett fallen. Sein hartes Gesicht mit den scharf geschnittenen Hautfalten hatte sich misstrauisch verzogen. Aus Augen ohne Gefühl starrte er die Frau an.
»Was hat nicht geklappt?«
»Was sollte denn nicht geklappt haben?«
»Alles. Das sehe ich Ihnen an.«
»Stimmt. Sinclair lebt!«
Van Akkeren sagte zunächst nichts. Sein Mund blieb geschlossen.
Die Lippen lagen scharf aufeinander, und nur seine Hände ballten sich langsam zu Fäusten.
»Sie haben Ihr Geld bekommen, Elsa.«
»Das weiß ich.«
»Dann verlange ich von Ihnen auch perfekte Arbeit.«
»Die hätten Sie auch bekommen, wenn Sie mir die ganze Wahrheit gesagt hätten.«
»Das habe ich, und Sie hatten die Unterlagen.«
»Können Sie vergessen. Sinclair war nicht allein, als ich ihn auf einem Friedhof stellte.«
»Warum haben Sie sich dann dafür entschieden?«
»Weil er zunächst allein
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