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1334 - Der Ghoul und die Witwe

1334 - Der Ghoul und die Witwe

Titel: 1334 - Der Ghoul und die Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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überlegt. »Sie wissen ja selbst, dass es bei uns im Hausflur nicht gut riecht…«
    Sie unterbrach ihn. Ihre Stimme bestand aus einem Keifen, und sie bewegte beim Sprechen heftig ihren schiefen Mund. »Da sagen Sie was. Es ist eine Schweinerei.«
    »Genau.«
    »Und was soll das?«
    »Ich möchte wissen, ob Sie es auch riechen, Mrs. Wilson.«
    »Was denn?«
    »Dass der Gestank hier im Hausflur zugenommen hat.«
    Sie blinzelte. »Ach, meinen Sie?«
    »Ja, Mrs. Wilson.«
    »Moment.« Die Witwe löste die Kette von innen. Dann zog sie die Tür auf.
    Lou Kersher war schon zurückgetreten, um der Frau Platz zu schaffen. Sie übertrat die Schwelle, ließ die Tür offen und schnüffelte.
    Lou tat nichts. Er schaute sie nur an. Edna Wilson war kleiner als er. Sie wirkte wie eine alte Vettel mit ihren dunklen Haaren, die sie einfach zu stark färbte. Wie alt sie war, wusste kein anderer Mieter im Haus, aber mit dem Alter hatte sie schon ihre Probleme, denn sie machte sich durch ihr Outfit irgendwie lächerlich. Das Gesicht immer stark geschminkt, ebenso die Lippen, die stets hellrot leuchteten. Die alte Haut war welk geworden, und das konnte auch die Schminke kaum verdecken.
    Ob sie einen Morgenmantel trug oder ein Kleid, das war nicht genau auszumachen. Jedenfalls war der Stoff verschlissen, und die einst großen bunten Blumen des Musters wirkten verblichen.
    Graue Strümpfe bedeckten die Beine, die unter dem Saum des Morgenmantels hervorschauten. An den Füßen trug sie Pantoffeln, die ihr viel zu groß waren.
    So schlurfte sie schnüffelnd durch den Flur bis zum Geländer, auf das sie ihre Hände legte.
    Edna Wilson schaute nach unten. »Ich sehe nichts«, sagte sie nach einer Weile.
    »Das habe ich auch nicht gemeint. Ich sprach davon, dass es hier so stinkt.«
    »Es riecht hier immer.«
    »Ja, ja, schon. Aber jetzt stärker.«
    Witwe Wilson drehte sich um. Sie hatte kleine und dunkle Augen. Mit denen fixierte sie Lou Kersher. »Ich glaube schon, dass Sie sich etwas einbilden.«
    »Nein!«
    »Doch, Mr. Kersher.« Ihre Augen bekamen einen schiefen Blick.
    »Alles ist hier zum Kotzen, wie mal jemand aus der unteren Etage gesagt hat. Dass es stinkt, daran haben wir uns ja leider gewöhnt. Aber wollen Sie freiwillig hier ausziehen?«
    »Nein, denn…«
    »Eben. Die Miete ist billig. Und der Friedhof ist nah.« Sie kicherte. Die wabbelige Haut an ihrer Kehle geriet dabei in Bewegung. »Wissen Sie was?« Die Spitze ihres rechten Zeigefingers deutete auf Lou.
    »Nein.«
    »Sie kommen jetzt zu mir. Ich habe mir einen Tee gemacht. Er schmeckt gut. Wenn Sie ihn trinken, dann werden sie den anderen Geschmack vergessen.«
    Lou überlegte. Sollte er das Angebot annehmen oder nicht?
    Eigentlich nicht, denn er wollte auf Jane Collins warten. Andererseits konnte ihm die Witwe möglicherweise Auskünfte geben, denn sie war eine sehr neugierige Person und hatte sich bestimmt schon mit dem Friedhof beschäftigt. Wenn er sich recht erinnerte, hatte er sie öfter auf der anderen Straßenseite hergehen sehen.
    »Ja oder nein?«
    Er nickte.
    »Gut, dann kommen Sie mit.«
    »Aber nur für fünf Minuten.«
    Edna Wilson war schon auf dem Weg gewesen. Jetzt drehte sie sich wieder um. »Ach – haben Sie keine Zeit? Erwarten Sie Besuch?«
    So direkt wollte er nicht antworten. »Ja, es könnte noch jemand kommen, Mrs. Wilson.«
    Ihr schiefer Mund zeigte plötzlich ein Grinsen. »Etwa eine Frau, Mr. Kersher?«
    »Kann schon sein.«
    »Um diese Zeit?«
    »Es ist rein geschäftlich.«
    Wieder schaute sie ihn aus ihren Glitzeraugen an, was ihm sichtlich unangenehm war, und so ging er auf die offene Wohnungstür zu. Er betrat den schmalen Flur vor der Witwe, die hinter ihm die Tür wieder schloss. Sogar die Kette hakte sie ein, was den Nachbarn verwunderte. Er wollte etwas sagen, nur kam er nicht mehr dazu.
    Daran trug nicht Witwe Wilson die Schuld, sondern ein anderer Umstand.
    In dieser Wohnung roch es.
    Es roch wie im Hausflur.
    Nur viel intensiver…
    ***
    Lou Kersher blieb auf der Stelle stehen. Er sagte nichts. Er tat nichts.
    Aber er konnte den kalten Schauer auf seinem Rücken nicht vermeiden, und er bekam dort eine Gänsehaut. Er wollte denken, doch die alte Frau nahm seine Aufmerksamkeit in Anspruch. Sie war nahe an ihn herangetreten und fasste seinen Arm in Höhe des Ellbogens an, wo sie einen leichten Druck ausübte.
    »Bitte, gehen Sie weiter«
    »Ja, äh…«
    Der Druck verstärkte sich. »Gehen Sie.«
    Kersher war zwar noch nie in der

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