1335 - Mandragoros Liebeshexe
Blut. Trotzdem schimmerte die Wunde feucht in der Dunkelheit.
Sie bewegte ihren Mund.
Zischende Worte klangen mir entgegen, die ich nicht verstand.
Sie hörten sich an wie ein Fluch, und mit einer wilden Bewegung drehte sie sich zur anderen Seite hin um.
Zu schnell, denn das rechte Bein konnte das Gewicht nicht mehr tragen. Liane brach auf der Stelle zusammen. Sie fiel auf die Seite.
Für eine gewisse Weile blieb sie in dieser Haltung liegen. Ich vernahm ein keuchendes Geräusch aus ihrem Mund und sah, dass die sieben Äste auch weiterhin aus ihrem Körper stachen.
Mit einer unwahrscheinlichen Kraftanstrengung raffte sich Liane auf. Aber sie stellte sich nicht hin, sondern blieb auf dem Boden knien. Ihr Körper zuckte, und dann hob sie beide Hände an. Sie legte sie um den spitzen langen Ast, der aus ihrem Mund wuchs, als wollte sie ihn als Reckstange benutzen, um sich auf die Beine zu ziehen.
Es war still um uns herum geworden, und deshalb hörte ich auch das leise Knirschen.
Danach brach der Ast.
Das Knacken war nicht zu überhören. Die Hände ließen ihn los, und ich verfolgte seinen Weg, wie er zu Boden fiel und dort liegen blieb. Nicht mehr stark und gesund, sondern faul und brüchig. Er würde durch kein Hindernis mehr gerammt werden können.
Warum wollte sie knien?
Würde sie auch alle anderen Äste abbrechen?
Nein, sie hatte etwas anderes vor. Als wäre sie von einem Energiestoß durchdrungen worden, glitt sie mit einer ruckartigen Bewegung in die Höhe. Plötzlich stand sie wieder auf den Beinen.
Breitbeinig, um den nötigen Halt zu finden.
Sie drehte sich im Kreis. Dabei hielt sie den Kopf gesenkt, als wäre er ihr zu schwer geworden.
Dann ging sie weg.
Für mich interessierte sie sich nicht. Sie nahm ihren Weg, aber sie ging nicht mehr normal, sondern zog beim Gehen das rechte Bein nach, das sicherlich steif geworden war oder das auch weiterhin den Einfluss der geweihten Silberkugel spürte, sodass es bei dieser einen Verletzung nicht bleiben würde.
Liane schaute sich nicht einmal mehr um. Sie humpelte von mir weg und tiefer in den Wald hinein, der einzig und allein ihre Heimat war.
Katzen legen sich an einen einsamen Ort, um zu sterben. Liane war keine Katze, aber sie war durch meine Kugel schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Und als sie aus meinem Blickfeld verschwand, da verglich ich sie mit einer Katze, die sich hinlegte, um in der Einsamkeit zu sterben…
***
Ich war wieder allein – und gefesselt!
Noch immer stand ich mit hochgerissenen Armen auf der Stelle und wusste nicht, wie ich die Fesseln loskriegen sollte. Sie waren so dehnbar wie Gummi, aber irgendwo musste es einen Punkt geben, wo sie einfach überdehnt waren und rissen.
Obwohl ich an mich selbst denken musste, drehten sich meine Gedanken auch um Gerda Simmons. Dieser Wald hatte sich verändert. Er stand unter der Kontrolle des Umwelt-Dämons Mandragoro. Ich besaß zu ihm ein ambivalentes Verhältnis, aber nicht Gerda Simmons. Sie würde von Mandragoro als Feindin betrachtet werden.
Was das bedeutete, lag auf der Hand. Er würde sie gnadenlos töten.
Ich wollte freikommen, und das mit aller Macht. Schon einmal hatte ich mich zur Seite gebeugt. Diesmal versuchte ich es erneut, denn es war die einzige Chance.
Wieder drückte ich meinen Körper so weit wie möglich nach rechts. Sehr nahe kam ich dem Boden. Die Ranke hatte sich gestrafft, aber sie war noch nicht gerissen.
Ich merkte den Gegendruck. Er wollte meinen Arm wieder zurückziehen.
Für mich begann der Kampf gegen die Ranke. Einer von uns musste verlieren.
Ich lag halb auf dem Boden. Meine Hacken hatte ich in den weichen Boden gestemmt, um so einen besseren Halt zu bekommen.
Die Liane war jetzt straff gespannt. Ich wollte, dass sie noch straffer wurde, und setzte abermals etwas hinzu.
Es war irrsinnig anstrengend. Ich hielt den Mund weit offen. Aus meiner Kehle löste sich ein Schrei wie bei Karatekämpfern vor dem entscheidenden Angriff.
Der letzte Zug, das verzweifelte Zerren – und die verdammte Liane oder Ranke riss.
Sie peitschte hoch. Es gab keinen Druck mehr, der meinen rechten Arm hielt. Die Beretta war mir aus den Fingern gerutscht. Sie lag im Gras, aber das war jetzt nicht wichtig. Ich hatte eine Hand frei und konnte darangehen, die Schlinge um die linke zu lösen, auch wenn sie sich so fest um meine Haut gewickelt hatte, dass meine Blutzirkulation gestört worden war.
Die Befreiung gelang. Ich hätte jubeln können, als ich die Liane
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