134 - Die Entscheidung des Generals
verfolgen wollte. Blair wartete bereits. Er hatte sie dorthin bestellt.
»Habt ihr keine Angst, dass ihr so auf euch aufmerksam macht?«, fragte Rodq. »Sicher, das hier ist ein unzugängliches Gelände, aber…«
Einige in der Nähe stehenden Steppenreiter begannen zu lachen. Whala fiel spontan mit ein.
»Vor wem sollten wir uns denn fürchten?«, fragte er herablassend. »Wir Steppenreiter beherrschen fremde Völker, niemand beherrscht uns. Außerdem ist es doch ganz unterhaltsam, wenn Fleggen das Licht suchen und dabei verbrennen.« Er lachte erneut, dröhnend und laut.
Die Mechicos konnten mit seiner Philosophie nicht so viel anfangen. Sie wechselten kurze, unbehagliche Blicke, wie die Gäste eines Kannibalenstammes, die nur eingeladen waren, um als Hauptspeise zu dienen.
Rodq sah nach Westen, in Richtung der untergehenden Sonne. In seinen Augen glänzte ein Hauch von Wehmut.
Vielleicht, weil er sich gerade wünschte, noch vor Beginn des Festes fortzufliegen. Aber das ging nicht. Das würde einen Affront gegenüber den Steppenreitern bedeuten, die er ja gerne für sich gewinnen wollte.
»Unser Vorschlag«, begann er, »hast du ihn dir schon überlegt?«
Whala hockte sich neben Blair aufs Podest und griff in einen Korb mit frisch gegrilltem Fleisch. Der Raub auf dem Wehrhof hatte seinem Heer ganze Wakudahälften beschert. Heute würde keiner hungern müssen.
Herzhaft biss er in eines der Stücke. Heißes Fett tropfte über seine Finger, doch er scherte sich nicht darum.
»Euren Vorschlag?«, griff er das angeschnittene Thema zwischen zwei Bissen auf. »Welchen meinst du noch mal? Den, dass wir in El’ay einfallen und General Fudoh besiegen sollen, um für euch die Brabeelen vom Strauch zu holen?«
»Wir Mechicos würden euch bei diesem Feldzug natürlich unterstützen«, versprach Rodq eifrig.
»Hört sich trotzdem gefährlich an.« Whala pulte eine Fleischfaser zwischen seinen Zähnen hervor. »Dabei könnten viele Krieger sterben und das wird von den Clans nicht gerne gesehen. Ein Kriegsherr, den das Glück verlässt, endet bei uns rasch als Opfer für den brennenden Mann. Das nennen wir Gerechtigkeit.«
»Aber es lohnt sich«, lockte der Mechico mit dem verquollenen Gesicht. »Die Stadt birgt viele Schätze. Und es würde ja auch reichen, wenn ihr Fudohs Truppen aus El’ay heraus lockt. Hierher in die Berge. Ihr müsstest sie nur einige Tage beschäftigen, während wir…«
»Und für diese Mühen gebt ihr uns anschließend einen gerechten Anteil an der Beute, was?«, unterbrach Whala. »Das glaubst du doch selbst nicht.«
Seufzend kratzte sich Rodq am Schädel, bevor er fragte:
»Wie müsste es denn ablaufen, damit ihr zufrieden seid?«
Der Steppenreiter warf das angebissene Stück Fleisch achtlos in den Dreck, stemmte seine fettigen Hände in die Hüften und sah über die emsig arbeitende Menge hinweg. Fast vierzig Clans hatten sich diesem Raubzug schon angeschlossen, und fast jeden Tag kamen ein paar neue hinzu.
Sie besaßen längst die Macht, einen dicken Fisch an Land zu ziehen, der sie den ganzen Sommer über satt machte. Einen Sommer voller Feste, auf denen sie um den brennenden Mann tanzten, ihre Frauen liebten und die Feinde langsam zu Tode quälten. Das alles waren schöne Aussichten, doch ein Überfall auf eine große Stadt wollte gut geplant sein.
»Ich weiß noch zu wenig über El’ay«, sagte er endlich. »Ich brauche einen eigenen Späher, dessen Wort ich vertrauen kann. Der unsere Stärken und unsere Taktik kennt und weiß, nach welchen Schwächen des Gegners er suchen muss.«
»Von mir aus gerne«, bot Rodq schnell an. Zu schnell. Und so fügte er denn auch gleich lauernd hinzu: »Im Augenblick sind Fremde allerdings nicht gerne in El’ay gesehen, das sage ich euch gleich.«
»Kein Problem.« Whala lachte. »Blair ist es gewohnt, sich unsichtbar zu machen. Sie ist unsere Meisterspionin.«
Die Mechicos zuckten zusammen, als sie begriffen, dass von der Gestalt im Kapuzenmantel die Rede war.
»Der Nosfera dort?« Rodq deutete in anklagender Pose auf Blair. »Das ist ein Weib?«
»Aber natürlich!« Rodq griff nach ihr. »Ein sehr hübsches sogar!«
Blair versuchte ihm zu entkommen, doch er war schneller und stärker als sie. Gewaltsam zwang er sie in seine Arme und zerrte ihre Kapuze ein Stück zurück.
Bleiche, sonnenempfindliche Haut trat darunter hervor.
Dünn und durchscheinend wie Pergament, umspannte sie den fast fleischlosen Schädel. Ihre blauen Augen
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