1342 - Die Totmacher
hatte ein Baumeister genau an den richtigen Stellen Wände weggelassen, so dass alles großzügiger wirkte, besonders die Wohnküche mit der offenen Kochstelle.
Wäre das Kind im Haus gewesen, hätte es uns längst gehört und wäre uns entgegengelaufen. Es musste ja damit rechnen, dass seine Eltern zurückkamen.
Dergleichen passierte nicht. Es war und blieb still im Haus, was bei mir schon ein komisches Gefühl hervorrief, aber ich spürte keine unmittelbare Bedrohung.
Die Blaines standen auf der Schwelle. Ich hörte Ethans Stimme.
»Können wir eintreten?«
»Ja!«, rief ich zurück.
Sie kamen. Ethan schaut sich misstrauisch um. Wenig später wirkte er so erleichtert wie seine Frau, die mich auf sich zukommen sah, während Suko die hölzerne Treppe hochging, die an der linken Seite von einem weiß gestrichenen Geländer eingefasst wurde.
»Sie ist wohl nicht da«, sagte ich.
»Darf ich auch in den anderen Zimmern nachschauen, Mr. Sinclair?«
»Natürlich mit mir zusammen, Mrs. Blaine.«
Wir taten es gemeinsam und atmeten gemeinsam auf, denn das Haus war einfach nur leer.
»Und jetzt?«, fragte ich.
Mrs. Blaine drückte die Hände gegen ihre Brust. »Ich bin einfach nur erleichtert.«
»Das freut mich.«
Ihr Mann schloss für einen Moment die Augen, bevor er einen Arm um die Schultern seiner Frau legte. Suko kam aus der ersten Etage herab nach unten. Er hatte sich dort überall umgeschaut, wie er mit wenigen Worten erklärte.
»Ihre Tochter habe ich nicht gefunden.«
Auch diese Nachricht tat den Eltern gut. Ethan Blaine allerdings stellte die entscheidende Frage.
»Und wo könnte sie jetzt sein?«
»Das kann ich dir sagen«, erklärte Karen. »Heute ist Halloween. Da sind die Kinder unterwegs. Hatte ich dir das nicht gesagt?«
Ethan schlug gegen seine Stirn. »Ja, das hatte ich vergessen. Klar, Halloween…« Er beendete den Satz in einem Tonfall, der mir nicht gefallen konnte. Plötzlich war die Spannung wieder da. Auf seinem Gesicht zeichnete sich eine Gänsehaut ab. Bestimmt stellte er sich vor, wie seine Tochter durch den Ort ging und schutzlos war, auch wenn sie in Begleitung ihrer Freundinnen war. Er sagte allerdings nichts.
Karen dachte da anders. Sie war voll in ihrer Mutterrolle aufgegangen, und sie riss sich auch zusammen. »Dann müssen wir so schnell wie möglich nach Ratley und sie suchen. Wir dürfen das Kind nicht mehr allein lassen. Uns hat man… ich meine, wir haben Glück gehabt, aber es sind zwei Psychopathen unterwegs, die es auf die Blaines abgesehen haben. Dazu gehört auch Wendy.«
Da hatte sie wirklich ins Schwarze getroffen. Und auch, dass die Beiden Psychopathen waren.
»Sie sind Anwalt, nicht?«, wandte ich mich an Ethan Blaine.
»Ja.«
»Könnte es sein, dass es jemanden gibt, der noch eine Rechnung mit Ihnen offen hat?«
Der Mann senkte den Kopf. Er schaute zu Boden und nagte dabei an seiner Lippe. Nach einer Weile des Nachdenkens fragte er: »Es liegt auf der Hand, nicht wahr?«
»Das denke ich auch.«
Ethan Blaine nickte. »Sie haben Recht. Daran habe ich auch schon gedacht. Es war dunkel und neblig, aber ich habe die beiden trotzdem sehen können und nicht erkannt.« Er hob den Blick wieder an, um in meine Augen zu schauen. »Verstehen Sie, Mr. Sinclair? Ich habe sie nicht erkannt. Das ist schlimm, ich weiß, aber ich kann nichts daran ändern. Ich habe dieses Paar noch nie in meinem Leben gesehen.« Er schüttelte sich und schluckte. »Leider.«
Ich glaubte ihm. Ethan Blaine war ein Mensch, der sich bestimmt seine Gedanken gemacht hatte. Ich las auch die Verzweiflung aus seinem Blick und hörte seinen geflüsterten Kommentar. »Es ist so schwierig. Ich kann mir kein Motiv vorstellen, tut mir Leid. Ich habe die Frau und den Mann nie zuvor in meinem Leben gesehen. Sie haben mich tatsächlich kalt erwischt.«
»Okay, es ist nur eine Frage gewesen.« Ich lächelte ihn optimistisch an und stellte dabei eine neue Frage. »Wissen Sie denn, welches Kostüm Ihre Tochter trägt?«
»Das weiß ich!«, meldete sich Karen.
Ich drehte mich um. »Super.«
Sie stand da und dachte nach. »Aus einem alten Betttuch habe ich ihr das Oberteil genäht. Sie trägt es wie einen Umhang. Auf den hellen Stoff sind einige Motive genäht. Fratzen und so. Und dann wollte sie sich noch eine dunkelrote Hexenmaske vor das Gesicht setzen. Ansonsten ist alles normal.«
»Da müssen sie ja zu erkennen sein«, meinte Suko.
Karen Blaine war nicht so optimistisch. »Ich weiß es nicht.
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