1342 - Die Totmacher
Sie müssen bedenken, dass die meisten Kinder verkleidet sind. Da werden sich manche Masken ähneln.«
»Wir halten die Augen trotzdem offen«, versprach Suko. Er wandte sich an mich. »Okay. Sollen wir uns auf den Weg machen?«
»Sicher.«
»Wir gehen mit«, erklärte Karen Blaine entschieden. »Ich kann nicht hier im Haus bleiben und Sie allein gehen lassen. Das ist unmöglich.«
»Davon ist auch nicht die Rede gewesen.« Ich lächelte ihr zu.
»Mal eine Frage noch.«
»Ja bitte…?«
»Kennen Sie den Weg, den die Mädchen nehmen wollten?«
»Nein, den kenne ich nicht. Wir leben nicht in einer Großstadt. Man kann sich weder verlaufen, noch draußen verstecken. Ratley ist offen wie ein Scheunentor. Finden werden wir sie immer. Ich hoffe nur nicht, dass es zu spät ist.«
»Keine Sorge.«
So ganz glaubte mir Karen Blaine nicht. Sie hatte feuchte Augen bekommen, was auch ihrem Mann aufgefallen war. Er legte einen Arm um Karens Schulter und flüsterte: »Wir schaffen es schon.«
Karen nickte. Ihre Lippen hatte sie dabei zusammengepresst. So optimistisch war sie nicht.
Auch Suko und ich rätselten, was das zu bedeuten hatte. Warum hatte sich der Killer gerade die Blaines ausgesucht? Für mich zumindest stand fest, dass es etwas mit dem Job des Mannes zu tun hatte. Und weiterhin glaubte ich daran, dass in diesem Fall keine übernatürlichen Kräfte mitmischten. Das war bei uns zwar sehr selten der Fall, aber Ausnahmen von Regeln gibt es immer…
***
Ihre Freundinnen waren fröhlich und unbelastet. Sie freuten sich auf den Spuk, den sie verbreiten wollten. Sie rannten auch von Wendy weg und machten ihr vor, wie sie die Leute erschrecken wollten. Da ging es nicht allein um die Masken, es gehörten auch Schreie dazu, die den Erwachsenen Angst machen sollten.
Wendy blieb zurückhaltender. Sie ging normal, aber sie tanzte nicht wie ein Schreckgespenst durch die Umgebung. Gern hätte sie sich so benommen wie ihre Freundinnen, aber so gut schauspielern konnte sie nicht. Sie musste immer daran denken, wen sie im Garten gesehen hatte und der Mann mit dem Beil im Kopf machte ihr Angst. Sie betete darum, ihm nicht zu begegnen. Immer wieder ballte sie ihre Hände zu Fäusten und flüsterte vor sich hin, ohne dass ihre Freundinnen verstanden, was sie sagte.
Da sie am Ortsrand von Ratley lebten, dauerte es ein paar Minuten, bis sie das Dorf erreicht hatten.
Der Nebel hielt es eingepackt. Die Dunkelheit gesellte sich dazu und so war Ratley zu einem Geisterort geworden, in dem sich alles Unheimliche dieser Welt versammelt zu haben schien.
Der Nebel dämpfte ihre Schritte. Die Mädchen waren kaum zu hören. Dafür zu sehen. Wendy ärgerte sich, weil sie ihre Taschenlampe vergessen hatte. Das war ihren Freundinnen nicht passiert, und so musste Wendy sich auf die drei fremden Lichter verlassen.
Die Lampen strahlten nicht so wie bei normalem Wetter. Schon bald nach dem Austritt zerfaserten die Lampenstrahlen und verwandelten sich in verschwommene Kreise, die mit den Mädchen weiter hinein in die graue Watte wanderten.
Alles wirkte verfremdet. Die ersten Häuser waren nur halb zu sehen und ihre Umrisse schienen zu zerfließen. Auf der Straße, auf der sie gingen, bewegte sich nichts. Da fuhr kein Auto mehr und es gab auch keine Radfahrer, die sie überholt hätten.
Trotzdem war es nicht nur grau, denn die Freundinnen waren nicht allein unterwegs. Andere Gruppen hatten sich ebenfalls gebildet und den Ort bereits vor ihnen erreicht. Hin und wieder entdeckten sie im Dunst die tanzenden Lichter, die aussahen, als hätte man irgendwelche Geister aus ihren verwunschenen Welten befreit.
Auch in den Häusern selbst leuchteten die Lichter. Sie waren hinter den Fenstern aufgestellt oder schmückten rechts und links die Haustüren. Zumindest ausgehöhlte und mit brennenden Kerzen bestückte Kürbisse, die ebenfalls mit ihren Fratzen die Menschen erschrecken sollten.
Obwohl innerhalb des Nebels nicht viel zu sehen war, drehte sich Wendy des Öfteren um. Das musste sie einfach tun, weil sie immer wieder das Gefühl hatte, verfolgt zu werden.
Der Mann mit der Axt im Kopf wollte ihr nicht aus dem Sinn. Sie konnte sich vorstellen, dass er sie verfolgte. Dass er es auf sie abgesehen hatte. Weshalb hätte er sich sonst in diesem Garten herumtreiben sollen?
Ihren Freundinnen hatte sie nichts von der Begegnung erzählt, aber den drei Mädchen fiel ihr ungewöhnliches Verhalten auf.
Diana sprach sie an. Sie hatte sich für einen
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