1342 - Die Totmacher
vor der eigenen Courage hat. Die Lippen zuckten einige Male. Sie dachte noch nach, dann erinnerte sie sich an ihre Freundinnen, die auch verkleidet waren, und vor ihnen wollte sie sich auf keinen Fall blamieren.
Deshalb setzte sie die Maske auf.
Das Gummiband streifte durch ihre Haare, was ein Zwicken hinterließ. Die Maske saß noch schief, das sah sie durch die runden Augenhöhlen. Sie setzte sie richtig auf, schaute dann ihr Spiegelbild an – und erschrak vor sich selbst.
Aus dem verzerrten Mund drang ein leiser Schrei. Dass sie so schlimm aussehen würde, hätte sie nicht gedacht. Ihr Kleid war nahezu harmlos dagegen. Ich sehe wirklich scheußlich aus, dachte sie.
Absolut scheußlich. Richtig eklig.
Sie trat nach hinten, bis sie gegen den kleinen Tisch stieß. Der Anblick hatte sich nicht verändert. Noch immer sah sie aus wie eine Mischung aus Teufel und Hexe.
Es klingelte an der Tür. Zwei Mal schnell hintereinander. Genau das war das verabredete Zeichen.
Wendy lief aus dem Kinderzimmer zur Wohnungstür.
»Wer ist da?«, rief sie, ohne die Tür zu öffnen.
Eine dumpf klingende Antwort folgte. »Wir sind es. Die Geister der Toten…«
Obwohl die drei Freundinnen versuchten, ihre Stimmen zu senken, schafften sie es nicht so ganz. Die Antwort hinterließ auf Wendys Lippen ein leichtes Grinsen.
Bevor sie die Tür öffnete, richtete sie schnell ihre Maske. Dann zerrte sie die Tür mit einem schnellen und sehr heftigen Ruck auf, so dass sich ihre Freundinnen erschreckten. Sie zuckten auch zurück, was Wendy Spaß machte. Wenigstes war nicht nur sie es, die sich vor ihrer eigenen Maske erschreckt hatte.
»Hi, ich bin es nur!«
»Super!«, kreischte eine Mädchenstimme.
»Du siehst echt stark aus.«
»Sollen wir gehen?«, fragte die Dritte. »Da kriegen selbst die Erwachsenen Angst vor uns.«
Wendy zögerte noch etwas. Sie dachte dabei an ihre Eltern und auch an den Kerl mit der Axt im Kopf. Ein Schauer überfiel sie wieder. Für einen Moment zögerte sie. War es nicht besser, wenn sie wartete, bis die Eltern da waren?
Sie wollte sich vor den Freundinnen nicht blamieren. Das Hexengesicht nickte ihnen zu.
»Ich komme dann!«
Nach diesen Worten zog sie die Tür zu. Dass im Haus auch weiterhin das Licht brannte, gefiel ihr. Sie wurde von ihren Freundinnen in die Mitte genommen, als hätten sie geahnt, dass es ihr gut tun würde.
Von dem Unbekannten mit der Axt im Kopf erzählte sie den Mädchen allerdings nichts…
***
Das Keuchen erfüllte noch immer die Hütte. Dabei hatten sich die beiden schon längst voneinander gelöst.
Lou Gannon war zur Tür gegangen und hatte sie spaltbreit aufgezogen. Er schaute in den dunklen Wald hinein, durch den der Nebel schwebte, als wäre er aus Tüchern gewoben.
Es gab so gut wie keine Sicht mehr. Selbst das in der Nähe stehende Motorrad war so gut wie nicht zu erkennen. Auch die Hütte schwamm in diesem grauen Brei.
Es war das ideale Versteck. Wahrscheinlich selbst von den Bewohnern dieses Kaffs vergessen, aber für die beiden Totmacher nahezu ideal. Niemand kam auf die Idee, bei dieser Witterung den Wald zu durchstreifen. So hatten sie ihre Ruhe.
Lou Gannon fühlte sich gut. Das lag auch zum Teil daran, dass Mira ihr Bestes gegeben hatte. Sie war eine supertolle Frau und immer bereit für einen Quickie.
Auch heute hatte es ihr Spaß gemacht, sonst wäre Gannon nicht so zufrieden gewesen. Er liebte Sex kurz vor der großen Action.
Dass es in seinem Kopf nicht stimmen konnte, daran dachte er nicht. Er war eben so und nicht anders.
Nicht wie sein Bruder.
Dieser arme Hund saß im Knast. Killer Gannon war er genannt worden. Ein Chef innerhalb der Türsteher-Szene. Aber es hatte auch noch die Araber gegeben, und die hatten dem Bruder eine böse Falle gestellt. Es war zu einer Schießerei gekommen. Killer Gannon war verletzt, aber nicht getötet worden, und die andere Seite hatte es vor Gericht so gedreht, dass der Bruder die Schuld an der Schießerei trug.
Der Richter hatte ihnen geglaubt und Gannon für sechs Jahre hinter Gitter gesteckt. Nach einem Jahr hatte es Killer Gannon in diesem Bau nicht mehr ausgehalten.
Selbstmord.
Einfach erhängt!
Lou war fast wahnsinnig geworden, als er davon gehört hatte. Er wäre am liebsten Amok gelaufen, aber er hatte es geschafft, seinen Hass zu kanalisieren.
Der galt dem Anwalt!
Ethan Blaine hatte Killer Gannon verteidigen sollen. Eine Farce war das gewesen. Er hätte ihn herausholen müssen, die anderen waren
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