1342 - Die Totmacher
die Tür nicht. Es steckte auch kein Schlüssel von innen, den ich hätte umdrehen müssen.
Ich trat von der Tür zurück, behielt sie aber im Auge und wartete darauf, dass sie sich bewegte.
Das Glück stand auf meiner Seite. Es gab auch keinen Wind, der von außen gegen sie drückte. Bei diesem recht schlechten Licht musste auch jemand wie Lou Gannon annehmen, dass die Tür geschlossen war. Hoffentlich blieb das so.
Auf meinem Gesicht malte sich nichts ab. Gefühle hatte ich zurückgedrängt. Ich wollte mich neutral verhalten, ohne allerdings kalt zu wirken. Auf Gannon wollte ich den Eindruck eines Menschen machen, der unter Schock steht.
»Alles klar, Mr. Blaine. So kommen wir der Sache schon näher und du darfst auch näher auf mich zukommen und deine kleine Tochter betrachten. Ein hübsches Kind.«
»Lass es in Ruhe!«
Gannon grinste mich über Wendys Kopf hinweg an. »Nicht so voreilig, Blaine. Es kommt auf dich an, ob und wann ich sie freilasse. Meinen Bruder hat man auch nicht freigelassen. Man sperrte ihn ein wie ein Tier, einfach so. Kannst du dir das vorstellen? Wie ein Tier. Und das hat er nicht verkraftet. Er brachte sich um.«
»Ihr Bruder war ein Killer!«
»Nein, er hat sich gewehrt. Dieses Leben hat ihn dazu gemacht. Diese verdammte Gesellschaft, die nichts anderes verdient hat, als dass man gewisse Typen tötet.«
Ich übernahm die Rolle des Verteidigers. »Es tut mir Leid, aber ich habe mein Möglichstes getan. Mehr war nicht drin. Der Richter wollte ihn noch länger einsperren. Ich habe für Ihren Bruder herausgeholt, was herauszuholen war.«
»Ja, ja«, höhnte er, »das glaube ich dir auch, du Rechtsverdreher. Ich glaube dir jedes Wort. Es ist ja alles so perfekt.« Er fing an, schrill zu lachen. »Von wegen. Ihr steckt alle unter einer Decke, wenn es gegen uns geht. Wir sind für euch Abschaum. Da wir das wissen, werden wir uns auch so benehmen.«
»Sie irren…«
»Halts Maul und komm vor!«
Ich wollte auf keinen Fall Stress haben und tat ihm den Gefallen.
Meine Beine bewegten sich nicht zu schnell. Ich wusste schon, was ich tat, so dass dieser Typ nicht in Versuchung kam.
Dabei kam ich der Frau näher, die ich ebenfalls scharf beobachtete. Ich sah auch sie an. Die Beleuchtung hier war wirklich nicht die allerbeste, das musste ich zugeben. Trotzdem erkannte ich im Gesicht der Frau und auch in den Augen den Ausdruck der Unsicherheit. Sie rührte sich zwar nicht von der Stelle, aber sie machte nicht den gelassenen Eindruck eines Menschen, der genau wusste, was er tat, und alles im Griff hatte. Sie bewegte zu sehr ihre Augen, auch eine Art und Weise, die Unsicherheit zu zeigen. Die Lippen hielt sie zusammengepresst.
Ich musste dort stehen bleiben, wo sich links von mir eine Tür befand. Sie war nicht geschlossen und ich bekam den Befehl, den Raum zu betreten. Die Schwelle hatte ich schon beinahe überschritten, als mir einfiel, dass zwei ältere Frauen in diesem Haus wohnten und so fragte ich mich, was mit ihnen geschehen war.
Ich sah sie nicht, als ich in ihrer Küche stand. Hinter mir hielt sich Mira auf, doch ich traute mich nicht, meine Waffe zu ziehen, herumzuwirbeln und die Blonde als Geisel zu nehmen.
Stattdessen rutschte mir eine Frage über die Lippen. »Wo sind die beiden Schwestern?«
Die Antwort gab mir Mira. »Wir haben sie nach oben geschafft. Sie liegen bequem auf ihren Betten.«
»Sie sind tot?«
»Nein.« Mira lachte kichernd. »Wir sind doch keine Unmenschen. Wir haben sie nur aus dem Verkehr gezogen.«
»Ah, ja…«
Ich wusste nicht, wie weit ich gehen durfte. Dass die Totmacher die beiden Schwestern nicht umgebracht hatten, erleichterte mich, doch das verbesserte meine Lage nicht.
Neben dem Tisch blieb ich stehen und legte meine Hände auf die Platte. Ich traute mich auch nicht, mich umzuschauen. Zwar hing in der recht großen Küche mit den alten Möbeln auch ein großer Spiegel, aber er hing nicht so, dass ich in ihn hineinschauen konnte.
So musste ich mich weiterhin auf mein Gehör und mein Gefühl verlassen, was hinter mir passierte.
Als ich die scharfen Atemstöße hörte, wusste ich, dass nicht nur die Blonde die Küche betreten hatte. Platz genug gab es für uns. Die Deckenleuchte war mit Stoff umspannt, der das Licht etwas filterte.
Es war trotzdem noch hell genug, um alles erkennen zu können.
Für die Einrichtung hatte ich ebenso wenig einen Blick wie für die beiden Fenster. Ich wollte mich in meiner Konzentration durch nichts ablenken
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