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1342 - Tod aus der Unendlichkeit

Titel: 1342 - Tod aus der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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unter sich und die Wand neben sich ertasten und daran feststellen, daß er sich noch in seiner Zelle befand, aber er sah nicht die Zelle, sondern das Büro und die drei Offiziere, die hereinkamen. Er hörte nicht das Rascheln seiner Kleidung und seinen schweren Atem, sondern die Schritte der drei Frauen, das leise Quietschen der Tür und ihre Stimmen. „Han-Doaq ist ein völlig unbedeutender Mann", bemerkte die zumeist um Ausgleich bemühte Teres-Trie. Sie ging auf ihn hinzu, und es schien, als wolle sie nach ihm greifen. Sie streckte einen Arm in die Höhe und schüttelte ihn leicht. Ihre Hand schien durch ihn hindurchzugehen. Diese Bewegung hatte jedoch nichts mit ihm zu tun. Han-Doaq sah, daß sie ein allzu locker sitzendes Armchronometer trug. Es war ihr bis aufs Handgelenk herabgerutscht, und sie schüttelte es nun lediglich höher den Arm hinauf, damit es fester saß.
    Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken, verließ sein Blickfeld jedoch nicht. „Er ist ein kleiner Isoliertechniker, der sich auf seinem Fachgebiet ganz gut auskennt, der es jedoch stets abgelehnt hat, Verantwortung zu übernehmen. Er wollte nie irgend jemandem Befehle geben, sondern sich lieber sagen lassen, was er zu tun oder zu lassen hat. Darüber hinaus ist er stockkonservativ. Er ist alles andere als eine dynamische Persönlichkeit, durch die wir uns bedroht fühlen müssen."
    Tarka-Muun schlug eine Akte auf, und jetzt hatte Han-Doaq das Gefühl, daß er sich schwebend im Raum bewegte. Es schien, als ob seine unsichtbaren Augen sich wie zwei Kameras der Akte näherten und so weit herumschwenkten, daß er lesen konnte, was darin stand.
    Dazu brauchte er nichts zu tun. Er mußte sich keinen Befehl geben. Als der Wunsch in ihm wach geworden war, die Notizen einzusehen, hatten sich seine unsichtbaren Augen in Bewegung gesetzt. „Er wehrt sich mit geradezu kindischer Angst gegen jede Veränderung", erläuterte Tarka-Muun. „Eine Wand, die nicht eingerissen wird, obwohl notwendig, ein Baum, der nicht gefällt wird, ein Haus, das nicht abgebrochen wird. Ein neuer Antrieb, der nicht gebaut werden soll, eine neue Technik, die nicht verwirklicht werden soll, weil er nur Gefahren darin sieht, obwohl er denkbar wenig über diese Technik weiß, viel zuwenig Fachmann ist, um sie beurteilen zu können. Es geht auch gar nicht um die neue Technik, das alte Haus, den Baum oder was sonst immer. Es geht gegen die Veränderung des augenblicklichen Zustands."
    „Bist du sicher?" fragte Teres-Trie. „Er steht mit dieser Ablehnung der Veränderung nicht allein. Es gibt viele, die so denken. Oft gerade besonders intelligente Kartanin. Seltsam. Das ist eine Bewegung, die ich früher nicht beobachtet habe."
    „Und die auch nicht allgemein auf unser Volk zutrifft", fügte Kara-Mau tadelnd hinzu. Ihr gefiel nicht, daß in dieser Art Kritik geübt wurde.
    Teres-Trie lächelte. „Richtig. Vornehmlich diejenigen fürchten sich vor Veränderungen, die begriffen haben, daß Veränderungen auch mögliche Entwicklungen zum Schlechteren hin beinhalten", erläuterte sie. „Mit dem Lao-Sinh-Projekt leiten wir die größte Veränderung unserer Geschichte überhaupt ein. Bisher hat es nur Begeisterung für das Projekt gegeben, aber die letzten Tage, Wochen und Monate haben gezeigt, daß es ohne Leistung und ohne Risiko nicht geht. Viele Kartanin sind nun mal so, daß sie gern die Hände offenhalten, um sich beschenken zu lassen, sie scheuen aber die eigene Leistung, weil diese nicht unbedingt zur Verbesserung der eigenen Verhältnisse führen muß. Und nun werden ihnen diejenigen Frauen unheimlich, die gerne etwas leisten, die risikofreudig sind, diejenigen, die ständig etwas verändern, weil unser Volk nur dadurch vorankommen kann."
    „Und da lehnen sie sich schon dagegen auf, einen Baum zu fällen, weil auch das schon eine Abweichung vom alten Zustand ist?" fragte Kara-Mau. „Genauso ist es", bestätigte Teres-Trie.
    Han Doaq zog sich bestürzt zurück. Plötzlich war er wieder mit allen seinen Sinnen in der engen Zelle, und er erinrierte sich an alles, was er gehört hatte. Dies wurde ihm zunächst nicht bewußt, denn er mußte damit fertig werden, daß er in einer derart treffenden Weise charakterisiert worden war. „Sie hat recht", flüsterte er. Es hielt ihn nicht mehr länger auf der Pritsche. Er stand auf und ging unruhig im Raum auf und ab.
    Dann aber blieb er stehen, als sei er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. „Ich weiß es noch", sagte er laut. „Ich

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