1343 - Manons Feuerhölle
mein Schutzengel.«
Ich hatte jedes Wort verstanden, nur fiel es mir schwer, alles nachzuvollziehen. Ich dachte daran, wie Manon ausgesehen hatte, als Bill und ich sie aus dem Haus geholt hatten. Da war sie einfach nur eine verbrannte Leiche gewesen. Da hatte ihr Uriel auch nicht geholfen. Doch jetzt sah alles anders aus.
»Er hat dich verbrennen lassen, Manon!«
Sie schrak leicht zusammen. »Wie? Was?«
Ich wiederholte meinen Satz.
»Nein, das hat er nicht. Ich lebe. Ich bin wieder stark geworden. Du kannst es sehen.«
»Aber wir haben dich aus dem Haus geholt. Mein Freund Bill Conolly und ich. Hast du das vergessen? Du hast inmitten der Flammenhölle gestanden. Du bist verbrannt. Du hast einfach nur schrecklich ausgesehen. Wenn du willst, kann ich dir Fotos zeigen, die von deinem Körper geschossen wurden. Du hättest einfach nicht mehr leben können und nicht mehr müssen. Es war wider die Natur.«
»Aber ich lebe«, flüsterte sie. »Ja, ich lebe, und ich lebe noch immer. Ich habe meine Schwäche gespürt. Ich musste mich regenerieren, und ich bin zu dem geworden, was ich bin. Ich spüre das Feuer noch immer in mir. Ich bin so feurig wie er. Ich brauche keine Furcht mehr zu haben, denn er beschützt mich.«
»Dann sind deine anderen oder alten Kräfte wieder da?«
»Ich denke schon.«
»Was sind sie? Wie kannst du sie erklären? Bitte, ich möchte darauf eine Antwort haben.«
Sie wischte über ihre Stirn. »Ich werde mich wieder erinnern können, Sinclair. Ich bin bereit, meine Arbeit aufzunehmen.«
»Welche Arbeit?«
»Die mit dem Feuer. Ich kann es kontrollieren. Ich werde versuchen, meine Kraft für die Menschen einzusetzen. Ich werde ihnen helfen, wenn sie von den Flammen bedroht sind. Das habe ich schon immer versucht, aber ich habe es nie so recht geschafft, mich zu kontrollieren. Ich musste mich selbst entzünden, denn es war etwas in mir, das mich dazu getrieben hat.«
»War es Uriels Macht?«
»Nein, das war es nicht. Etwas ganz anderes. Aber es muss raus, das weiß ich ebenfalls. Ich will es nicht länger in mir tragen, denn diese zweite Kraft ist für mich nicht gut.«
»Kannst du sie nicht näher erklären?«
»Nein. Aber sie ist stark. Sie ist ein mächtiger Drang, den ich nicht stoppen kann. Ich habe von einer Regeneration gesprochen, aber das stimmt nicht. Ich habe mir diese Ausrede nur zurechtgelegt, denn in mir steckt etwas, das mich töten, das mich verbrennen will. Ich soll noch immer durch das Feuer sterben wie in der Vergangenheit, aber die Gegenkraft – auch Feuer – hält dagegen. Einer nur kann gewinnen, und jetzt weiß ich, dass es bald soweit sein wird. Der Kampf wird in mir und mit mir ausgetragen, und es kann nur einen Sieger geben.«
Ich hatte genau zugehört und vor allen Dingen bei der Erwähnung der Gegenkraft große Ohren bekommen. Wer sie genau war, wusste ich nicht, ich hatte nur meinen Verdacht, und dabei kam mir natürlich der Teufel in den Sinn.
Er und Uriel!
Konnte es sein, dass sich beide Parteien um die junge Frau stritten? Es war alles möglich, und mich interessierte auch noch etwas anderes. Es ging mir um die Vergangenheit, an die sich Manon erinnern konnte. Ich selbst war davon überzeugt, dass sie nicht einige hundert Jahre gelebt hatte, schließlich war sie kein Vampir.
Deshalb musste sie meiner Ansicht nach eine Wiedergeburt erlebt haben.
»Weißt du, wie du gestorben bist?«, fragte ich. »Vielleicht auch durch das Feuer?«
»Feuer?«, wiederholte sie und lächelte kantig. »Ich kann es dir nicht sagen…«
»Aber du hast nicht immer gelebt. Oder so lange. Du bist nicht diejenige, die in der Vergangenheit in den Tod geschickt werden sollte. Du hast eine Wiedergeburt erlebt und dich in dieser neuen Person an die Vergangenheit erinnert.«
Manon sagte nichts. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt. Sie starrte mir ins Gesicht. Sie schüttelte den Kopf und flüsterte: »Er ist an meiner Seite. Er wird an meiner Seite bleiben. Ich werde das andere abschütteln, das noch in mir steckt. Ich will nicht mehr sterben. Ich will nicht mehr die Flammen erleben und später wieder neu werden. Ich will neu bleiben, für immer. Keine Regeneration. Kein Verbrennen zuvor. Einfach nur sein wie ich jetzt bin.« Sie schaute auf das Kreuz. »Es ist so schön. Es ist so mächtig. Es ist auch ein Teil von ihm darin. Mein Schutzengel hat sich darin manifestiert. Das Feuer will ich als Freund erleben und nicht mehr als Feind, verstehst du?«
»Ja, das begreife
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