1345 - Gruft der Erleuchtung
war, aber es war offensichtlich, daß es ihm nicht gelungen war, diesen Ort wieder zu verlassen. Er war zweifellos schon seit Tausenden von Jahren tot. Nur der chitinartige Panzer, der ihn umgab, hatte die Zeit überdauert.
Nikki kehrte zu ihren beiden Begleiterinnen zurück und stellte erleichtert fest, daß sie allmählich wieder zu sich kamen.
Sie hatten die nächste Ebene erreicht. Daß dies keine Garantie auf einen Erfolg war, bewies das Vorhandensein des Fremden. Auch er war bis hierher gekommen - und er war gestorben.
Nikki Frickel fragte sich, was der Fremde hier wohl gesucht haben mochte. Den geheimnisvollen Schläfer?
Oder irgendwelche Schätze, die es wahrscheinlich überhaupt nicht gab?
Was es auch sein mochte - er hatte einen hohen Preis bezahlt und sein Ziel trotzdem nicht erreicht.
Nikki wünschte den Erbauern der Gruft aus vollem Herzen alles Schlechte.
*
„Was ist eigentlich passiert?" fragte Dao-Lin, kaum daß sie wieder bei sich war. „Ist tatsächlich der Paratau deflagriert?"
„Offensichtlich", nickte die Terranerin.
„Aber das ist unlogisch!"
„Vielleicht hatten die Erbauer etwas dagegen einzuwenden, daß jemand das Psichogon in die Gruft bringt", erwiderte Nikki nüchtern.
„Das meine ich nicht", versicherte Dao-Lin verstört. „Bei der Menge Tränen, die in unserer unmittelbaren Umgebung hochgegangen sind, müßten wir in Psiphrenie verfallen sein. Unser Verstand wäre hinüber."
Nikki Frickel deutete mit dem Daumen zur Decke hinauf.
„Wir sind eine Ebene tiefer", erklärte sie. „Der Durchgang hat sich im letzten Augenblick geöffnet.
Wahrscheinlich sind wir hier abgeschirmt genug, um auch so etwas zu überstehen."
Dao-Lin wollte noch etwas einwenden, aber da fiel ihr Blick auf die Überreste des Fremden.
„Was ist das für ein Wesen?" fragte sie. „Kennst du ein Volk, dessen Mitglieder so aussehen?"
Nikki Frickel schüttelte den Kopf.
Poerl Alcoun richtete sich auf und hielt sich stöhnend den Kopf. Sie war offensichtlich noch sehr benommen. Ihre Augen wirkten verschleiert. „Wasser!" flüsterte sie, und Nikki beeilte sich, ihr etwas zu trinken zu geben.
„Ist es jetzt besser?" fragte sie mitfühlend.
Die Tefroderin rieb sich die Schläfen und nickte zögernd. Sie streifte die Überreste des Fremden mit einem scheuen Blick und schüttelte sich.
„Ich hoffe, wir kommen auch ohne den Paratau zurecht", murmelte sie. „Irgendwie war es ein tröstlicher Gedanke, das Zeug dabeizuhaben."
„Wir werden es schon schaffen", meinte Nikki aufmunternd. „Und diesmal lassen wir uns nicht in die Irre führen."
Sie begann sofort, den Raum zu untersuchen. Es mochte ja sein, daß auch der nächste Durchstieg gleich unter dem letzten Schacht lag und nur wieder auf raffinierte Weise getarnt war.
Dao-Lin schloß sich ihr an. Die Bewegungen der Kartanin wirkten zwar noch etwas eckig, aber sie erholte sich schnell.
Poerl Alcoun brauchte länger, um wieder auf die Beine zu kommen.
„Hier ist nichts", murmelte Nikki nach geraumer Zeit enttäuscht. „Wir müssen also nach dem nächsten Schacht suchen. Wo sollen wir anfangen?"
Dao-Lin wußte es auch nicht. Sie hatte in die dunklen Gärige hineingesehen, aber nirgends einen Hinweis gefunden.
„Kartanin neigen in solchen Fällen dazu, geradeaus zu gehen", sagte sie zögernd. „Wenn ich wüßte, aus welcher Richtung wir gekommen sind, als wir in diesen Schacht gerieten ..."
„Das ist recht einfach", behauptete Nikki. „Ich bin sicher, daß ich mich auf dem Weg nach unten nicht gedreht habe. Als ich wieder sehen konnte, hatte ich den Fremden vor Augen."
„Ja, und der befindet sich zwischen zwei Gängen. Welchen sollen wir nehmen?"
Nikki überlegte und lächelte dann plötzlich.
„Geradeaus, hast du gesagt. Und geradeaus befindet sich der Fremde. Wir sind bis jetzt um ihn herumgegangen."
Dao-Lin verstand sofort. Gemeinsam räumten sie die Überreste des Fremden vorsichtig zur Seite. Aber ihre Hoffnung, irgendein verstecktes Zeichen zu finden, erfüllte sich nicht.
„Das ist doch zu dumm!" sagte Nikki ärgerlich. „Wie soll man sich in einem solchen Labyrinth zurechtfinden, wenn man noch nicht einmal weiß, wonach man zu suchen hat?"
Dao-Lin-H'ay starrte die Wand an und überlegte.
„Oben waren sechs Säulen", murmelte sie. „Sie führten uns zu weiteren sechs Säulen, aber bei denen wurden wir nur unseren Paratau los. Das zweite Sechseck war aber sicher nicht ausschließlich zu dem Zweck gedacht,
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