1345 - Gruft der Erleuchtung
nach.
In Gedanken versunken machte sie sich auf den Weg zu Nikki Frickel und Poerl Alcoun. Sie freute sich auf das Wiedersehen mit den beiden. Vor den bohrenden Fragen, die Nikki und Poerl ihr stellen würden, hatte sie keine Angst. Sie war sich ihrer selbst sicher - sie würde nichts verraten, auch nicht unabsichtlich, nicht einmal aus Ärger über die Voica.
Und diesen Ärger gab es. Er war gerade in diesem Augenblick sogar so groß, daß Dao-Lin nichts dagegen einzuwenden gehabt hätte, ihn an irgend etwas oder irgend jemandem auszulassen.
Das gerade beendete Gespräch hatte ihr etwas bewiesen, was sie längst geahnt hatte: daß sie nämlich noch immer nicht wirklich dazugehörte.
Sie hatte nicht gewußt, warum dieser merkwürdige Staubnebel tabu war, und von der Existenz der Roboter von Ctl hatte sie noch nicht einmal etwas geahnt, bis sie sie mit eigenen Augen gesehen hatte. Die Roboter gehorchten den Wissenden - den anderen Wissenden.
Sie hatte sich gesagt, daß es gewiß gute Gründe gegeben hatte, sie nicht zu informieren. Jenes Täuschungsmanöver, bei dem achtzehn alte Kartanin gestorben waren, weil die Wissenden die Leute von der PIG auf eine falsche Spur locken wollten, war seit langem geplant gewesen, und es hatte längst festgestanden, daß Dao-Lin-H'ay die achtzehn Todeskandidatinnen begleiten und dafür sorgen sollte, daß alles so verlief, wie die Voica es sich gewünscht hatten. Die Voica waren sich gewiß darüber im klaren gewesen, daß Dao-Lin dieses Unternehmen nicht ohne Schwierigkeiten und inneres Widerstreben hinter sich bringen würde, und so mochte es eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen sein, ihr gewisse Geheimnisse vorzuenthalten, bis alles überstanden war.
Dao-Lin hatte das akzeptiert. Aber sie hatte erwartet, daß man ihr nun, da alles überstanden war, die noch ausstehenden Geheimnisse mitteilte.
Die Voica hatten keine Anstalten getroffen, dies zu tun.
Anfangs hatte Dao-Lin sich gesagt, daß sie vielleicht einfach nur von falschen Voraussetzungen ausging. Es konnte ja sein, daß sie tatsächlich bereits alle Geheimnisse kannte, daß die Roboter von Ctl die letzte Ausnahme gewesen waren.
Jetzt war sie sicher, daß das nicht der Fall war.
Es gab weitere Geheimnisse, und die Voica kannten sie.
Keine von ihnen hatte während des Gesprächs die Tränen N'jalas benutzt, aber Dao-Lin hatte es getan. Niemand hatte etwas davon bemerkt. Sie hatte kein schlechtes Gewissen, denn sie hatte nichts Unrechtes getan. Es stand ihr frei, die Tränen zu benutzen, wann immer sie es für richtig hielt.
Sie hatte mit voller Absicht die Wissenden mit ihren Bemerkungen über die „Gäste" provoziert und abgelenkt, und als sie versicherte, daß sie keine Geheimnisse verraten würde, da war ihr Geist offen und aufnahmebereit gewesen. Sie hatte keine Gedanken aufgefangen - sie hatte sich auch gar nicht darauf konzentriert, denn das hätten die Voica gespürt. Aber sie hatte die Gefühle der anderen in sich aufgenommen.
Da war keine Spur von Besorgnis gewesen - und das, obwohl die anderen deutlich genug zu verstehen gegeben hatten, daß sie sich vor den bohrenden Fragen der „Gäste" fürchteten. Es war auch kein besonderes Gefühl des Vertrauens in Dao-Lins Widerstandskraft vorhanden gewesen.
Die Voica hatten diesen Punkt einfach übergangen.
Dao-Lin-H'ay war eine sehr realistische Kartanin, und sie machte sich nichts vor. Es gab für die Reaktion der Voica nur eine einzige Erklärung: Sie waren sich völlig sicher, daß Dao-Lin keine wirklichen Geheimnisse verraten konnte - weil sie diese Geheimnisse gar nicht kannte.
Dao-Lins einziger Trost in dieser ganzen Angelegenheit bestand darin, daß die Voica sich wenigstens nicht über ihr Versprechen amüsiert hatten.
Irgendwann würden sie ihr die restlichen Geheimnisse mitteilen. Dao-Lin wußte das, und sie vertraute den Voica.
Aber ärgerlich war sie eben doch.
2.
Das Quartier für Nikki Frickel und Poerl Alcoun war wirklich sehr groß und - gemessen an dem, was die Scotaming bieten konnte - außerordentlich komfortabel. Dao-Lin wurde sich dessen bewußt, als sie das Schott öffnete und eintrat.
Das Schott führte in einen Aufenthaltsraum, der mit Teppichen, Vorhängen und Sitzkissen ausgestattet war. Ein großer Bildschirm an der rechten Wand zeigte in stetem Wechsel die schönsten und reizvollsten Landschaften, die die Kartanin auf den Planeten ihres Sternenreichs gefunden hatten. Zwei offene Durchgänge, die mit Vorhängen
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