1345 - Vampirkiller Conolly
würde, doch eine Chance sah sie leider nicht.
An diesem Tag war Jane Collins unterwegs, um Weihnachtsgeschenke einzukaufen. Ihren Detektivjob hatte sie zunächst auf Eis gelegt. Das sollte so lange bleiben, bis sich ihr Leben wieder normalisiert hatte. Dann konnte man weitersehen.
Das Einkaufen hatte ihr bisher immer viel Spaß gemacht. Sie hatte sich sogar recht gern in das Gewühl gestürzt, schließlich war es immer darum gegangen, Freunde zu beschenken.
Nicht so in diesem Jahr.
Es war schlimm gewesen. Lady Sarahs Tod, die Rückkehr des Schwarzen Tods. Man musste wirklich schon ein besonderer Mensch sein, um da Lockerheit empfinden zu können.
Jane schaffte das nicht. Sie war nicht so stark, um über den eigenen Schatten zu springen, und so musste sie sich ihrem Schicksal fügen. Das Einkaufen der Geschenke sah sie als reine Routine an. Es passierte ihr auch, dass sie vor irgendwelchen Dingen stand und dabei ihre Gedanken ins Leere glitten, weil sie nicht mehr wusste, was sie eigentlich noch besorgen wollte.
Sie blickte des Öfteren auf die Uhr, fühlte sich gestresst. Der Morgen war längst vorbei, und auch bei ihr meldete sich das sehr menschliche Gefühl des Hungers.
Sie fand ein Café, aus dessen Tür es lecker und weihnachtlich duftete. Der Laden wurde von einem Deutschen geführt, war brechend voll, aber Jane fand noch einen Platz in der Ecke, dicht neben einem überfüllten Garderobenständer.
Sie bestellte Kaffee und die Spezialität des Hauses, einen Christmas Stollen.
Trotz des großen Betriebs bekam Jane beides recht schnell serviert. Der Stollen mundete ihr gut, weil er nicht zu süß war. Auch der Kaffee ließ sich trinken, und der Trubel um sie herum glitt einfach an ihr vorbei. Darum kümmerte sie sich nicht.
An diesem Tag erlebte Jane ihr Alleinsein besonders deutlich. Da halfen ihr auch nicht die mit Geschenken voll gepackten Tüten. Wo sie die beiden Festtage feiern würde, wusste sie nicht. Auf keinen Fall zu Hause mit Justine Cavallo. Damit hätte sie die Perversion auf die Spitze getrieben. Weihnachten mit einer Blutsaugerin. Unglaublich.
Als die Serviererin einen Moment Zeit hatte, winkte Jane sie zu sich heran und beglich die Rechnung. Das Trinkgeld, das sie dazulegte, ließ die Augen der jungen Frau strahlen.
Nachdem Jane Collins ihre Tasse geleert hatte, stand sie auf. An einem größeren Tisch in der Nähe freute sich eine größere Personengruppe über den frei gewordenen Stuhl, der sofort geholt wurde.
Jane verließ das Café und hielt nach einem Taxi Ausschau. Sich mit dem eigenen Wagen durch den Londoner Vorweihnachtsverkehr zu quälen, das war nicht ihr Ding.
Als sie auf dem Rücksitz saß, schloss sie die Augen. Zwar hatte sie den Kaffee getrunken, doch der Einkaufsstress der letzten Stunden hatte sie müde werden lassen, und so fielen ihr die Augen zu. Der Fahrer musste sie wecken und lachte dabei.
»Entschuldigen Sie. Aber ich…«
»Keine Sorge«, sagte der junge Farbige und lachte weiter. »Sie glauben gar nicht, wie viele Menschen bei mir im Wagen einschlafen, wenn sie gestresst sind.«
»Das kann ich mir gut vorstellen.«
Nahe des Hauses stieg sie aus. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, spürte sie wieder einen Stich in der Herzgegend.
Sie kehrte zurück, sie würde wieder in das Haus gehen, eigentlich so wie immer, aber es würde keine Lady Sarah mehr auf sie warten und sie mit glänzenden Augen anschauen, weil sie froh darüber war, sie zu sehen.
Stattdessen erwartete sie eine Justine Cavallo, eine Blutsaugerin, eine blonde Bestie. Dies zu begreifen, fiel der Detektivin ungewöhnlich schwer. Sie wollte nicht gerade sagen, dass sie es hasste, aber daran gewöhnen konnte sie sich nie.
Schneekalt war es in London nicht. Doch der recht scharfe Wind biss schon in ihr Gesicht und wühlte die blonden Haare ziemlich durcheinander.
Jane schloss die Tür auf. Sie trat in ein stilles Haus hinein. Dass Justine Cavallo sich dort aufhielt, glaubte sie schon, aber sie würde sich wahrscheinlich ausruhen und für die Nacht vorbereiten. Jane wollte sie auch nicht sehen, denn sie überkam immer das Gefühl, von dieser Person belauert zu werden.
Lady Sarahs Wohnzimmer hatte Jane in Beschlag genommen. Sie hatte dort nichts verändert, auch wenn die Einrichtung nicht gerade nach ihrem Geschmack war. Alles so zu lassen, das war sie Sarah einfach schuldig, und wenn sie im Raum saß, hatte sie immer das Gefühl, dass sich der Geist der Horror-Oma in ihrer Nähe
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