1348 - Asche zu Asche
Wort glaubte. So etwas saugte man sich nicht aus den Fingern.
Es musste für die Versammelten einen Grund gegeben haben, dass sie sich so oft hier einfanden.
Früher hatten sie das sicherlich auch getan und waren dann ins Kino gegangen. Und heute? Ins Kino konnten sie nicht gehen, denn es war abgebrannt. Aber Cindy Mora hatte uns erzählt, dass sie sich genau in diesem Kino einen Film mit dem Titel Vampirterror angesehen hatte. Das verstand, wer wollte, ich hatte da so meine Probleme.
Es gab kein Kino, und trotzdem hatte sie sich einen Film angeschaut. Wie passte das zusammen?
»Mehr können wir Ihnen auch nicht sagen, Mister.« Edna hatte mich angesprochen und machte dabei ein fast trauriges Gesicht.
»Wir hätten Ihnen ja gern geholfen, nur…«
Ich winkte ab. »Ist schon gut. Ich habe ja erfahren, was ich wissen wollte.«
Edna machte mir noch einen Vorschlag. »Am besten fragen Sie die Leute, wenn sie sich am Abend hier versammeln. Da bekommen Sie bestimmt die richtigen Antworten.«
»Danke für den Tipp. Das werde ich auch tun. Wissen Sie, ob sich die Leute heute Abend wieder versammeln?«
»Nein, Sir. Bestimmte Zeiten gibt es nie. Mal kommen sie, mal nicht. Wie gesagt, wir haben damit nicht viel zu tun und führen lieber unser eigenes Leben.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Noch zwei Jahre halten wir durch. Dann setzen wir uns zur Ruhe. Wir haben genug gearbeitet.«
Das konnte ich verstehen. Der Duft um mich herum hatte mich hungrig gemacht. Es gab in dem Laden eine französische Ecke. Die Croissants sahen nicht nur frisch aus, sie waren es auch. Ich kaufte zwei und probierte sie noch im Geschäft.
Edna freute sich, dass es mir schmeckte. Ihr Mann bediente inzwischen zwei Kunden, Frauen, die auch ihre Kinderwagen in den Laden geschoben hatten.
Noch essend verließ ich das Geschäft und schaute mich nach Suko um, der nicht zu sehen war. Als ich ihn auch nicht auf der anderen Straßenseite entdeckte, kam mir die Idee, in der Einfahrt nachzuschauen, wo mal das Kino gewesen war.
Dort fand ich ihn tatsächlich. Suko stand neben einem Maler, der hier seine Bilder fertig stellte. Einige seiner Werke lehnten an der Wand. Sie zeigten Motive aus London. Sehr realistisch nachgemalt.
Für viele Touristen sicherlich ein Kaufmotiv. So hatten sie eine Erinnerung an ihren London-Besuch.
»Ich bin am Abend weg. Das habe ich schon gesagt. Da kannst du mich noch hundert Mal fragen, ich weiß nichts. Ich packe meinen Kram zusammen und mache die Fliege.«
»Aber dass sich hier Leute versammeln, weiß du – oder?«
»Klar.«
»Und weiter?«
»Habe ich schon gesagt. Ich haue hier ab. Ich brauche die Schau nicht. Will meine Ruhe haben.«
»Welche Schau?«
»Die trauern noch immer dem Kino nach.« Der Maler schlug mit seiner Hand auf den Boden. »Verdammt, ich weiß wirklich nicht mehr. Ehrlich.«
»Okay.« Suko drückte dem Mann einen Geldschein in die Hand und drehte sich um.
Dabei sah er mich in seiner Nähe.
»Hast du alles gehört, John?«
»Ja.«
»Dein Kommentar?«
»Du bist ebenso weit gekommen wie ich, nehme ich an. In der Bäckerei habe ich keine konkreten Antworten bekommen. Die Leute wollen nichts gesehen haben. Sie kümmern sich um nichts. Die eigene Ruhe ist ihnen wichtiger. Was mich wundert, wenn man die Neugierde der Menschen kennt.«
»Genau das ist ein Punkt, über den ich nachdenken muss. Keiner weiß etwas, keiner will etwas gesehen haben. Aber das glaube ich nicht. Die Typen hier scheinen etwas zu wissen. Sie rücken nur nicht mit der Sprache heraus. Ich habe es ja nicht nur bei einem versucht. Genau das macht mich misstrauisch. Irgendetwas stimmt hier nicht. Da ist was im Busch. Etwas, das man nicht so leicht erklären kann. Darauf möchte ich wetten. Nur bleiben die Lippen verschlossen, und das ärgert mich.«
»Hatten sie vielleicht Angst?«
Suko schaute zu Boden und nickte. »Daran habe ich auch schon gedacht. Angst setzt aber auch eine Bedrohung voraus, und das habe ich bei ihnen nicht gesehen.«
Der Fall wurde immer verwirrender. Wir hatten mit einer jungen Frau gesprochen, die offiziell gar nicht mehr lebte. Sie hatte uns von einem Besuch in einem Kino berichtet, das es nicht mehr gab. In diesem nicht mehr vorhandenen Kino hatte ein Mann gesessen, der zu Staub, Asche oder Sand zerfallen war, und nun waren wir gefordert, all die losen Enden zu einem Bild zusammenzufügen.
Das war eigentlich nicht nachzuvollziehen. Zumindest nicht für einen Menschen, der normal dachte und
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