1348 - Asche zu Asche
nichts mit dem zu tun hatte, womit wir konfrontiert wurden.
Zwar sahen wir recht ratlos aus, aber wir glaubten beide daran, dass dieses nicht vorhandene Kino der Schlüssel war. Wir standen noch immer in der Einfahrt und hätten uns eigentlich in einem Zuschauerraum befinden müssen.
Davon war nichts zu sehen.
Ich ging die Einfahrt durch bis zu ihrem Ende. Die Rückseite des Kinos war nicht zerstört worden. Ich stand vor einer beschmierten Wand und sah auch keine Tür, durch die ich hätte treten können.
Hier war alles dicht gemacht worden.
Ich drehte mich wieder um. Zu meinen Füßen saß ein junger Mann, der Schmuck herstellte. Die Decke war groß genug, um ihn und seine kleinen Kunstwerke aufzunehmen.
Als mein Schatten über ihn fiel, schaute er hoch. Er verzog seine Lippen dabei zu einem Grinsen. Vom Aussehen her schien er indianisches Blut in den Adern zu haben. Das lange Haar hatte er zu einem Zopf im Nacken zusammengebunden.
Ich nickte ihm zu und schaute dabei auf seinen Schmuck.
»Du bist ratlos, wie?«, fragte er.
Ich blickte ihn an. »Wie kommst du darauf?«
Der junge Mann raffte seinen erdfarbenen Poncho zusammen.
»Das sehe ich dir an.«
»Kann sein.«
Er lächelte breit. »Die Welt ist nicht immer so, wie man sie sich vorstellt. Es gibt noch genügend Geheimnisse, die sie verbirgt. Man muss sie nur mit offenen Augen sehen.«
»Da stimme ich dir zu. Nur ist es für die meisten Menschen nicht möglich, dies zu tun.«
Der junge Mann bewegte seine schmalen Finge. »Man muss es spüren. Was man nicht sieht, muss man spüren. Das schafft auch nicht jeder. Man muss schon sensibel sein.«
»Bist du das?«, fragte ich.
»Manchmal.«
»Hier auch?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wenn ich ehrlich sein soll, ist das hier kein guter Platz. Ich spüre die Strömungen. Sie sind nicht gut. Ich sehe sie als negativ an. Man muss schon Acht geben, um sich von ihnen nicht einfangen zu lassen.«
»Hast du das geschafft?«
»Ich gehe immer.«
»Warum?«
Er deutete auf seine Brust. »Etwas warnt mich. Etwas sagt mir, dass es besser ist, wenn ich gehe. In der Nacht gehört dieser Ort einer anderen Kraft.«
»Welcher denn?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Das musst du selbst herausfinden. Deshalb bist du zusammen mit deinem Kollegen auch gekommen. Ich bin ja kein Freund von Bullen, aber euch beiden sehe ich mit anderen Augen. Ihr wollt nichts von uns, ihr forscht nach den wahren Gründen. Ich hätte euch gern dabei geholfen, aber das ist mir nicht möglich, weil ich einfach nicht weiß, was später hier abläuft. Nur bin ich davon überzeugt, dass es nicht normal ist.«
Ich lächelte zu ihm herab. »Danke für den Tipp!«
Er winkte lässig. »Gern geschehen.«
Ich ging wieder zu Suko und nickte ihm zu. »Es ist zwar kein Beweis, aber ich habe mit einem Menschen gesprochen, der genau spürte, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Leider war er nicht in der Lage, konkret zu werden. Vielleicht wollte er das auch nicht, aber wir scheinen auf der richtigen Fährte zu sein.«
»Freut mich.« Suko schaute in die Runde. »Jetzt ist da nichts zu machen. Wir haben Zeit bis zum Abend, und die sollten wir auch ausnutzen.«
»Genau.«
Suko lächelte. Er brauchte nichts zu sagen, denn es gab nur eins, was wir tun konnten.
Eine Tote besuchen…
***
Cindy Mora saß auf ihrem Stuhl und schaute nach vorn. Sie hatte sich seit dem Weggang der beiden Besucher nicht gerührt und sich auch von anderen Patienten nicht ansprechen lassen.
Ihr Blick fiel durch die Scheibe des Wintergartens nach draußen in die trübe Landschaft. Es regnete zwar nicht, doch die Wolken waren noch tiefer gesunken, und hatten sich als Dunst auf den Boden gelegt.
Sie sah und sah doch nichts. Etwas in ihr stimmte nicht mehr.
Zwar fühlte sie sich als Mensch, aber sie war trotzdem nicht so richtig vorhanden. Sie schwamm weg, obwohl sie auf dem Stuhl saß. Sie konnte nichts erkennen, weil sich plötzlich etwas wie ein Vorhang vor ihr Gesicht legte. Es sah aus wie eine kalte Nebelwand, und die Kälte merkte sie sehr deutlich in ihrem Inneren.
Sie war plötzlich da.
Von den Füßen her stieg sie hoch. Er erfasste die Beine, danach die Oberschenkel, wanderte auch über die Hüften hinweg, um die Brust zu erreichen.
Cindy Mora bewegte sich nicht. Auch wenn sie es getan hätte, es wäre ihr nicht möglich gewesen, die Kälte aufzuhalten. Sie hatte sie voll und ganz übernommen. Sie kroch weiter. Aus Tausenden von Nadeln schien sie
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