1349 - Lilians tödlicher Blumenzauber
denke ich auch.«
»Ich werde ihn also anrufen…?«
Lambert hob die Schultern. »Meinen Segen haben Sie. Ich werde mich entsprechend kooperativ verhalten.«
»Gut, dass Sie das gesagt habe, Inspektor. Wenn das so ist, dann möchte ich Sie eigentlich zum Schweigen verdonnern.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ganz einfach. Ich möchte, dass dies ein Geheimnis bleibt. Es wissen nur Sie und ich davon.« Carlotta erwähnte die Tierärztin bewusst nicht. »Das ist auch gut. Je mehr Menschen davon Kenntnis bekommen, umso größer würden die Kreise, die der Fall zieht.«
»Ich verstehe Sie schon. Wann ist die Beerdigung?«
»Leider morgen schon.«
»Das ist…«
»Nein, nein, Inspektor. Jetzt sind sie an der Reihe. Sie werden dafür sorgen müssen, dass man die Beerdigung verschiebt. Sagen wir um zwei Tage.«
Lambert dachte nach. »Meinen Sie, dass es klappt? Dass sich das machen lässt?«
»Doch, schon. Sie packen es. Davon bin ich überzeugt.«
Lambert hob die Schultern. »Versuchen kann ich es ja. Versprechen kann ich nichts.«
»Das brauchen Sie auch nicht. Ich halte Sie für so gut, dass alles glatt über die Bühne geht.«
Lambert winkte nur ab und schüttelte den Kopf. »Müssen wir noch lange hier stehen?«
»Meinetwegen können wir gehen.«
»Das ist auch in meinem Sinn.« Er warf noch einen letzten Blick auf die Leiche, bevor er sich umdrehte. Kopfschüttelnd ging er auf den Ausgang zu.
Maxine Wells konnte nachfühlen, wie es in ihm aussah. Lambert war ein Mann, der schon aus beruflichen Gründen mit beiden Beinen auf der Erde stehen musste. Und jetzt wurde er von einem Vorgang überrascht, der nicht in sein Weltbild hineinpasste. Das war nicht nur bei ihm so, das wäre auch unzähligen anderen Menschen so ergangen.
Als sie wieder draußen standen, holte der Inspektor tief Luft. Die Kälte lag wie eisiger Dampf über dem Gelände, weil von irgendwo Feuchtigkeit herangekrochen war.
Er sagte nichts, war blass geworden und schüttelte immer wieder den Kopf.
»Nehmen Sie es nicht so tragisch«, riet Maxine. »Es gibt eben gewisse Dinge, die man nicht lenken kann.«
»Das weiß ich ja. Für mich ist es so schlimm, weil ich mich einfach hilflos fühle. Ich stehe hier und weiß nicht weiter. Das ist es doch, was mir Probleme bereitet. Die Fälle, die ich zu lösen habe, sind ein Nichts gegen die, die…« Er winkte ab. »Lassen wir das. Ich kann es nicht ändern, auch wenn plötzlich Blumen aus einer Leiche wachsen. Das gehört ins Kino, aber nicht in die Wirklichkeit.«
»Sie sagen es. Mr. Lambert. Nur übertrifft die Realität manchen Film. Das kann ich unterstreichen.«
Der Mann nickte nur, und irgendwie waren beide froh, den Friedhof verlassen zu können…
***
Es braut sich etwas zusammen!, dachte Carlotta, das Vogelmädchen. Ich habe es im Gefühl, und ich weiß auch, dass es schwer sein wird, dagegen anzugehen.
Sie hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen, saß im Sessel und wartete darauf, dass Maxine Wells zurückkehrte. Sie hatte die Haltung einer grübelnden Person eingenommen, und das nicht von ungefähr, denn ihr streiften zahlreiche Gedanken durch den Kopf.
Die meisten davon drehten sich um die seltsame Begegnung mit dieser dunkelhaarigen Frau. Wer sie war, wusste Carlotta nicht. Für sie war und blieb sie die rätselhafte Unbekannte, die Frau, die aus der Kälte kam und sich in einer dünnen Kleidung in dieser eisigen Umgebung bewegte.
Eine namenlose Person mit einer Lilie, die eigentlich längst hätte erfroren sein müssen.
Namenlos stimmte nicht ganz. Sie hieß Lilian, aber das war für Carlotta nicht wichtig. Für sie war diese Person namenlos, weil sie zu wenig über sie wusste. Lilian war so etwas wie ein Kunstwesen und nichts anderes. Aber sie lebte trotzdem, und sie hatte auch ein Geschenk mitgebracht.
Mitten im kalten Winter…
Es war eine Blume. Eine Lilie. So weiß und unschuldig aussehend, obwohl Carlotta dem Frieden nicht traute. Es musste einen Grund gegeben haben, dass man gerade ihr die Blume geschenkt hatte. Diese Lilian war ja nicht zufällig den Weg gegangen. Als hätte sie gewusst, dass ihr jemand entgegenkommen würde.
Ob sich diese Lilian noch mal blicken lassen würde? Carlotta wusste selbst nicht so recht, ob sie daran glauben sollte. Irgendwie hoffte sie es, aber dann würde sie darauf vorbereitet sein, das stand fest.
Carlotta stand auf. Sie wollte sich noch etwas zu trinken holen.
Den rechten Fuß setzte sie zuerst vor – und hatte das Gefühl,
Weitere Kostenlose Bücher