1349 - Lilians tödlicher Blumenzauber
der Blume zwischen meinen Fingern. Maxine schaute mir dabei zu. »Ist sie denn normal?«, fragte sie leise.
»Ich denke schon.«
»Dann verstehe ich das umso weniger. Ich habe angenommen, dass diese Blüten nur normal aussehen und in Wirklichkeit etwas ganz anderes sind.«
»Was denn?«
»Keine Ahnung.«
Ich streckte ihr die kleine Lilie entgegen. »Da, du kannst es selbst probieren.«
Erst wollte Maxine nicht. Dann überwand sie sich und nahm die kleine Blume. Sie drehte und wendete sie. Sie tastete sie ab und nickte, nachdem sie die Lilie gegen die Nase gehalten und gerochen hatte.
»Ja, da kann auch ich nichts Ungewöhnliches feststellen. Für mich ist sie eine normale Blume.«
»Kann sein.«
»Und was denkst du wirklich, John?«
Ich antwortete mit einer Frage. »Hast du etwas dagegen, wenn ich den Test mit dem Kreuz mache?« Maxine erschrak. »Kannst du das verantworten?«
»Ja. Und wir wollen schließlich erfahren, was dahinter steckt. Ich muss es tun. Ich will auf Nummer sicher gehen. Was hier passiert, kann man nicht als normal betrachten. Aus welcher Leiche wächst schon eine Blume? Das habe selbst ich bisher noch nicht erlebt.«
»Ja, dann mach es.«
Auch mir war nicht unbedingt wohl bei dieser Aktion, aber ich zögerte nicht mehr länger und holte mein Kreuz hervor. Zu spüren war nichts, als es auf meiner Handfläche lag. Es gab keinen Wärmeschub, der von ihm ausgegangen wäre, und das gefiel mir schon.
Ich näherte mich mit meiner Hand dem Gesicht. Wie oft ich diesen Test schon in meinem Leben durchgeführt hatte, konnte ich nicht zählen. Im Regelfall war immer etwas dabei herausgekommen. Sehr behutsam legte ich das Kreuz auf die Stirn des toten Mädchens, wobei das Gewicht meines Talismans die Blütenblätter zusammendrückte.
Und es passierte etwas. Ich hörte ein leises Zischen. Zugleich wölkte ein hellgrauer Rauch in die Höhe, der sich aus zittrigen Fäden bildete.
Ich ließ das Kreuz liegen. Bei ihm veränderte sich äußerlich nichts. Es hatte sich aber möglicherweise erwärmt, denn die Lilien blieben nicht mehr so wie sie waren.
Sie verfaulten der Reihe nach. Dabei verloren ihre Blütenblätter die weiße Farbe. Sie wurden mit fortschreitender Zeit immer grauer und unansehnlicher, bis sie so schwarz aussahen, als hätte das Feuer an ihnen genagt. Dabei verloren sie auch ihre Form. Sie kräuselten und drehten sich zusammen, wurden in ihrem Aussehen viel kleiner und starben ab.
Als ich mit der Zeigefingerspitze gegen die beiden Blumen auf der Stirn tippte, zerkrümelten sie zu Asche oder was immer es auch war. Selbst die anderen Lilien blieben in ihrer neuen Form nicht mehr liegen und wurden zu kleinen Aschehaufen.
Ich nahm das Kreuz wieder hoch und schaute Maxine an. Wie angewurzelt stand sie an der anderen Seite des offenen Sargs, nickte vor sich hin und flüsterte dann: »Perfekt, John.«
»Oh, das sagst du?«
»Ja, weil es so ist. Es ist perfekt. Etwas anderes fällt mir dazu nicht ein.«
»Wenn du es so siehst, schon. Wir haben den Beweis bekommen. Jetzt gilt es, nachzudenken.«
»Soll ich dich nach einer Idee fragen?«
»Wäre nicht schlecht, Max, denn mir schwirrt schon etwas durch den Kopf.«
»Und?«
»Es gibt da einen Dämon, der praktisch die Natur beherrscht. Er heißt Mandragoro und…«
»Den Namen hast du früher schon mal erwähnt.«
»Okay. Also dieser Mandragoro besitzt die Fähigkeit, die Natur zu manipulieren. Er greift zudem ein, wenn die Menschen einen zu starken Raubbau betreiben.«
»Und du meinst, dass er sich hinter diesem Phänomen verbirgt?«
Ich hob die Schultern. »Sagen wir so. Man kann es nicht ausschließen. Sicher bin ich mir nicht.«
»Und was ist dann mit dieser schwarzhaarigen Frau, die Carlotta im Wald gesehen hat?«
»Die werden wir finden.«
»Wenn das mal so einfach ist.«
Ich erwiderte nichts und schaute mir das Gesicht der Toten an.
Diese Daisy Corner war noch so verdammt jung gewesen. Sie hatte es nicht verdient, in diesem Alter zu sterben. Ich hatte die Blumen auf ihrem Gesicht gesehen, und dieser Anblick hatte mich nicht unbedingt erschreckt, denn da war ich anderes gewohnt.
Jetzt lagen die kleinen Aschehaufen auf der Haut. So sah das Gesicht etwas entstellt aus.
Ich änderte dies und blies die Asche weg. Max und ich schauten auf die normalen Gesichtszüge, aber wir sahen zugleich, dass sich die Farbe der Haut veränderte. Sie grünte etwas ein. Es war nur ein schwacher Schimmer, aber nicht zu übersehen.
»Mein
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