1349 - Lilians tödlicher Blumenzauber
wir hin.«
»Und kommen auch ohne weiteres hinein?«
Max lächelte breit. »Ich habe vorgesorgt und den Schlüssel zur Leichenhalle besorgt.«
»Ho, das ist ein Ding.«
»Es gibt zwei. Der Inspektor weiß Bescheid. Dein Kollege ist übrigens ein guter Typ. Sehr verständnisvoll. Wenn es sich ergibt, wirst du mit ihm gut zusammenarbeiten können. Er akzeptiert dich jedenfalls. Außerdem hast du in der Vergangenheit auch gewisse Spuren hinterlassen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Was sich ja wohl nicht vermeiden ließ.«
»Genau.«
Wir standen auf. Ich legte Geld zwischen die Tassen, dann verließen wir das Café.
Maxine hatte ihren Range Rover im Freien geparkt. Obwohl er nicht lange draußen gestanden hatte, lag bereits ein Eisfilm auf dem Dach, und auch die Scheiben waren undurchsichtig geworden. So blieb uns nichts anderes übrig, als die Kratzer zu holen und uns an die Arbeit zu machen. Wenig später war die Sicht frei.
Die Kälte drückte wirklich. Hier an der Küste war es immer etwas feucht. Das machte sich auch jetzt bemerkbar. Die Kälte hatte es geschafft, in der feuchten Luft Nebel zu bilden, der sich wie ein dünnes Gespinst auf den Straßen niedergelassen hatte.
Die Tierärztin fuhr entsprechend vorsichtig. Ich wollte sie auch nicht stören und schaute mir lieber die Gegend an. Einige Male gelang es mir, einen Blick auf das Meer zu erhaschen. Über der See lag ebenfalls ein kalter Dunst, und das Meer selbst sah aus wie ein grauer rollender Teppich.
Dundee kannte ich eigentlich als eine sehr quirlige und lebendige Stadt. Bei dieser Kälte allerdings ging alles ein wenig langsamer, und manchmal kam mir der Ort sogar wie ausgestorben vor. Zumindest der Teil, den wir durchquerten.
Maxine hielt schließlich bei der Leichenhalle, und wir stiegen aus.
Ich stellte meinen Kragen hoch. Selbst der geringste Wind hinterließ ein Beißen auf der Haut.
Als ich aufschloss, schaute ich mich um. Es war uns niemand gefolgt. Ich schaute in eine eiskalte Winterlandschaft und gegen einen Himmel, der allmählich eindunkelte.
Die Ärztin drückte die Tür auf. Sie warf mir noch einen schnellen Blick zu, bevor sie die Leichenhalle betrat. Ich sah die Besorgnis in ihren Augen und lächelte ihr zu. Sie sollte sich keine Sorgen machen. Außerdem taten Tote nichts.
Man geht automatisch leise, wenn man eine Leichenhalle betritt.
So erging es auch mir. Ich bewegte mich fast auf Zehenspritzen voran, und es dauerte nicht lange, da hatten wir den eigentlichen Totenraum betreten, in dem wie überall ein bestimmter Geruch vorherrschte, ob in der Weltstadt oder in einem kleinen Kaff. In einer Leichenhalle riecht es immer gleich. Angenehm war jedoch, dass es hier längst nicht so eisig war wie draußen.
»Jetzt bin ich schon zum dritten Mal an diesem Tag hier«, flüsterte Maxine mir zu. »das hätte ich mir gestern nicht mal träumen lassen. Aber so schnell kann es sich ändern.«
»Wem sagst du das.«
Danach sprachen wir nicht mehr und schritten schweigend auf den offenen Sarg zu. Es war niemand da, der sich an der Toten zu schaffen gemacht hatte. Sie lag so im Sarg, wie ich es von Maxine erfahren hatte.
Mein erster Blick fiel auf das Gesicht.
Ja, Maxine hatte nicht gelogen. Aus dem wachsbleichen Totengesicht wuchsen die kleinen Blumen, die weiß waren. Irgendwie passten sie zu der Leiche. Es waren kleine Lilien. Eine hatte sich sogar durch den Mund gedrängt. »Du siehst, John, dass alles stimmt, was ich dir gesagt habe.«
»Das hatte ich auch nicht anders erwartet.«
»Und wie sieht es mit einer Erklärung aus?«
Da konnte ich nur mit den Schultern zucken. Doch ich stellte Maxine eine Frage. »Hast du schon mal eine Blume aus dem Gesicht gezupft?«
»Nein, habe ich nicht. Wo denkst du hin? Ich habe mich nicht getraut, wie du dir vorstellen kannst.«
»Wat auch nur so dahingesagt.«
»Und was willst du tun, John? Eine Blume aus dem Gesicht zupfen oder aus dem Mund nehmen?«
»Hm. Letzteres wäre nicht schlecht.«
»Und dann?«
»Sehen wir weiter.«
Maxine schaute von der anderen Sargseite aus zu, wie ich nach der Blume fasste, die sich durch die Lippen gedrängt hatte. Mit den Fingerspitzen zupfte ich an den Blättern und war schon ein wenig verwundert darüber, wie fest sie am Blütenkelch hingen.
Als ich etwas mehr Kraft aufwandte, rutschte mir die Blume entgegen. Sie besaß einen recht langen Stängel, dessen Farbe man als hellgrün bezeichnen konnte.
Ich hob den rechten Arm und drehte den Stängel
Weitere Kostenlose Bücher