1349 - Lilians tödlicher Blumenzauber
schreien gehört. Es war ein Ausdruck einer schon irren Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit darin enthalten, und das Echo hing noch in der Luft, als ich ebenfalls das Zimmer erreichte.
Mit einem Blick erfasste ich, was hier geschehen war.
Carlotta lag rücklings auf dem Boden. Neben ihr kniete Maxine.
Sie bewegte sich nicht und starrte nur nach unten.
»Tot… sie ist tot, John …«
Maxine hatte mit einer Stimme gesprochen, die ich noch nie von ihr gehört hatte. Alles in der Tierärztin schien abgestorben zu sein.
Hatte Maxine tatsächlich Recht? War das Vogelmädchen Carlotta tot? Alles wies darauf hin, und ich spürte in diesen so schrecklichen langen Augenblicken, dass mir die Kehle eng wurde. Ich hätte nicht sprechen können, auch wenn ich es gewollt hätte. Es stürmte auf mich ein. Ich dachte daran, dass Lady Sarah Goldwyns Tod noch nicht so lange zurücklag, und jetzt sollte es wieder jemanden aus meinem Freundeskreis erwischt haben?
Wie die Leiche des jungen Mädchens im Sarg, so steif lag Carlotta auf dem Boden.
Maxine konnte nicht mehr sprechen. Sie war eine hübsche Frau, doch wer jetzt in ihr Gesicht schaute, der hätte sich gruseln können, so sehr hatte sich der Ausdruck darin verändert.
Lief hier gerade alles normal ab? Hier hatte niemand die Zeit langsamer vergehen lassen. Dennoch kam es mir so vor. Ich wusste nicht, was mit meinen Sinnen geschehen war. Ich nahm alles überdeutlich wahr, und zu den Sinnen gehörte auch das Riechen.
Ich sog die Luft bewusst und intensiv ein.
Etwas stimmte nicht…
Was es genau war, stand für mich in den Sternen… Aber dieser sehr feine, schwer wahrnehmbare Geruch! Er war anders, er unterschied sich von allen mir bekannten Gerüchen. Ich kannte ihn nicht in diesem Haus, in dem ich schon öfter zu Gast gewesen war. Im Anbau und in der Praxis roch es nach Tier. Hier aber hatte sich ein Geruch ausgebreitet, mit dem ich schon meine Probleme hatte.
Angesichts der Vorkommnisse vergaß ich ihn zunächst und erreichte endlich Maxine und das Vogelmädchen.
Neben den beiden sank ich in die Knie.
Die Tierärztin wollte etwas sagen. Es war ihr nicht möglich. Sie hob nur in einer hilflosen Bewegung die Schultern. Ich hatte Verständnis für diese Geste, denn ähnlich hatte ich mich beim Tod meiner Eltern und bei dem von Lady Sarah auch gefühlt.
Dann schaute ich in das Gesicht des Vogelmädchens. Es war so bleich. Der Mund stand offen. Carlotta hatte Luft holen wollen, aber sie hatte es nicht mehr geschafft.
Neben mir erhob sich Maxine. Sie ging zum Fenster und öffnete es. Wahrscheinlich war auch ihr der fremde Geruch aufgefallen. Ich schaute ihr kurz nach und sah, dass sie leicht schwankte.
War Carlotta tot?
Als mich der erste kalte Schub erreichte, hatte ich mich bereits nach unten gebeugt und meine Lippen auf Carlottas Mund gepresst. Ich wollte, ich musste es einfach versuchen.
Maxine Wells stand neben dem Fenster und schaute mir zu. Sie war unfähig sich zu bewegen. Aber sie hatte die Hände zusammengeballt und drückte mir sicherlich die Daumen.
Ich legte alles hinein, was ich aus einem Rettungskursus wusste.
Ich versuchte es mit Herzmassage. Blies dann wieder Atem in den Mund des Vogelmädchens und erinnerte mich daran, dass es auf Grund einer genetischen Veränderung eine viel größere Lunge besaß als ein normaler Mensch. Vielleicht gab es noch eine Chance.
Der Schweiß lief mir in Strömen über das Gesicht, aber ich gab nicht auf und kämpfte weiter um Carlottas Leben. Innerlich schickte ich Stoßgebete wo immer auch hin. In diesen Augenblicken hätte ich sogar mit Asmodis paktiert, nur um das Leben des Vogelmädchens zu retten.
Ein Zucken, ein leises Stöhnen…
Im ersten Moment war ich überrascht und schaute mich um, ob Maxine das Geräusch von sich gegeben hatte. Nein, sie bewegte sich nicht und schaute nur starr in unsere Richtung.
Wenn sie nicht und ich ebenfalls nicht, dann…
Mein Herz schlug schneller vor Freude. Ich jubilierte innerlich, als sich das Stöhnen wiederholte und danach in ein unregelmäßiges Atmen oder Schnappen nach Luft überging.
Sie lebte!
Mir saß die Kehle zu. Ich hatte mich in den letzten Minuten verdammt angestrengt, doch nun fühlte ich mich schwindelig, auch vor Erleichterung. Und es war ein Glücksgefühl dabei, das stark genug war, um mich sogar am Sprechen zu hindern. Ich brauchte nicht zu reden, denn auch Maxine hatte endlich mitbekommen, was hier passiert war.
»Sie lebt!«
Die Worte waren kaum
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