1349 - Lilians tödlicher Blumenzauber
versteckt.
Allmählich entschwanden auch ihre beiden Freunde. Es gab den leichten Dunst noch immer, der sich wie der Atemhauch eines Riesen über diese Welt verteilt hatte. Das Mondlicht tauchte darin ein und wurde zu einem verschwommenen Schein.
Carlotta hatte nicht erkennen können, ob die beiden noch mal zurückschauten. Aber sie ging auf Nummer sicher und wartete so lange ab, bis Maxine und John nicht mehr zu sehen waren. Da hatte sie der Schatten des Waldes verschluckt.
Dann entwickelte Carlotta ihr eigene Initiative. Sie hatte Platz genug und streifte ihren Mantel ab. Jetzt trug sie nur noch ihre Thermoshose und den sehr dicken Pullover, wobei sie noch einen Schal um ihren Hals geschlungen hatte.
Der Pullover war kein normales Kleidungsstück. Unter den Armen und an den Seiten wies er Lücken auf, damit Carlotta die nötige Bewegungsfreiheit für ihre Flügel besaß. Alles war genau auf ihre Kunst des Fliegens abgestimmt, und sie würde sich in die Luft erheben, auch wenn das bei dieser Kälte alles andere als ein Vergnügen war.
Im Range Rover hielt sie nichts mehr. Carlotta stieg aus und huschte in die eisige Luft hinein. Schon in den ersten Sekunden fing sie an zu zittern, das schlug die Kälte voll über ihr zusammen. Im ersten Augenblick hatte sie den Eindruck, nicht richtig atmen zu können. Sie schlug sich den Schal vor den Mund und atmete ein.
Es klappte jetzt besser.
Hinter dem Wagen blieb sie stehen. Sie blickte auch zurück, um zu sehen, ob ihr jemand gefolgt war. Da konnte sie beruhigt sein. Es tanzten keine Lichter durch die Nacht.
Auch der Weg nach vorn war frei. Das sah sie, als sie aus der Deckung herausgetreten war.
Der Blick nach oben vor dem Start.
Auch da war alles okay.
Sie war bereit.
Carlottas Ziel stand fest. Sie würde über das Waldstück hinwegfliegen und einige Schritte darauf zulaufen, bevor sie startete und sich in die Höhe schwang.
Es war wie immer. Abgesehen von ihrem Anlauf, den sie so einfach nicht schaffte, weil der Boden zu glatt war.
Sie schaute nach unten und suchte sich die entsprechenden Stellen aus, an denen sie den besten Halt fand. Es war nicht leicht, das hatte sie bei Carlotta und John gesehen. Bevor sie das Risiko einging, auszurutschen, ging sie vom Weg ab und betrat das Feld.
Auch dort nahm sie einen knappen Anlauf. Es klappte da besser.
Der Boden war gefroren, und das winterliche Gras schien unter ihren Füßen zu zerknacken.
Bereits nach wenigen Schritten bewegte sie ihre Schwingen. Sie spürte den Luftzug. Die Kälte wurde gegen ihr Gesicht geschleudert und raubte ihr den Atem.
Ich bin verrückt, dass ich dies tue!, dachte sie. Aber es war nicht der Zeitpunkt, jetzt aufzugeben, und so lief sie weiter über das Feld, bis sie genügend Schwung in ihre Flügelbewegungen bekommen hatte und sich abstieß.
Carlotta stieg in die Luft!
Es war ein perfekter Flug. Was auf dem Boden noch durch das Laufen etwas schwerfällig gewirkt hatte, verschwand nun. So leicht wie ein großer Vogel gewann sie an Höhe.
Wenn sie bei warmen Wetter flog, stieß sie in dieser Entfernung zum Boden jeweils einen Jubelschrei aus. Auf den verzichtete sie jetzt, denn sie wollte auf keinen Fall gehört werden.
Der Flugwind erwischte ihr Gesicht. So war sie froh, den Schal sehr hoch gezogen zu haben. Nase und Mund wurden von ihm bedeckt. Nur die Augen hatte sie frei gelassen.
Carlotta schraubte sich höher. Die große Welt blieb unter ihr zurück, und sie bewegte sich auf das Waldstück zu, über dem sie dann ihre Kreise zog und von den dünnen Dunstschwaden umflattert wurde.
Die Welt von oben zu sehen, war immer ein Erlebnis. Davon konnte jeder Fluggast ein Lied singen. Auch Carlotta ließ sich für einen Moment von dieser kalten und winterlichen Welt faszinieren, aber sie streifte diese Gedanken ab. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass die Schönheit einer Landschaft und genau das Gegenteil dessen dicht zusammenlagen, und davon ging sie auch hier aus…
***
Nein, wir befanden uns nicht am Nordpol oder in der Antarktis, aber uns kam es bei dieser Kälte so vor. Wir hatten diese kalte Hölle betreten, in der es nur einen Vorteil gab. Dass der Wind nicht so stark wehte und die Temperaturen deshalb noch zu ertragen waren.
Alles hatte seine Schönheit. Das sahen wir auch hier. Die mächtigen Bäume standen so unbeweglich wie Säulen. Nichts bewegte sich an ihnen. Zweige und Äste blieben starr, und diese winterliche Welt war wirklich für Fans ein wahrer Traum.
Weniger
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