1349 - Lilians tödlicher Blumenzauber
des Grundstücks und wartete ab.
Maxine Wells hatte als Erste ihre Starre verloren. Sie kam zu mir und fragte nur: »Wo?«
Ich deutete in eine bestimmte Richtung.
Sie schaute hin, suchte noch einen Moment und nickte. »Ja, das muss sie sein.«
Auch Carlotta hatte die Antwort gehört. Wir hörten noch ihren heftigen Atemstoß, dann drängte sie sich zwischen uns und brauchte nicht lange zu suchen.
»Mein Gott, das stimmt. Sie ist da. Himmel, ich… ich …« Es verschlug ihr die Sprache, was nur zu verständlich war.
»Sie muss gemerkt haben, was passiert ist«, flüsterte mir die Tierärztin zu.
»Das denke ich auch.«
»Und was hast du vor?«
»Erst mal nichts. Sie wartet, wir warten. Aber sie weiß jetzt, dass Carlotta nicht allein steht.«
»Sollen wir hin?«
»Wir?« Ich lachte. »Nein, das ist eine Sache für mich!«
Ich hatte die Antwort sehr entschieden gegeben und sah, dass Maxine zusammenzuckte. Ich kannte sie. Ich kannte auch ihren Mut, doch der war in dieser Situation fehl am Platze.
»Ihr haltet hier die Stellung. Ich versuche, so nahe wie möglich an sie heranzukommen.« Nach dieser Antwort hängte ich mir das Kreuz wieder um. Diesmal jedoch hing es außen vor meiner Brust.
Dann kletterte ich aus dem Fenster, was kein Problem war. Es war mir zudem egal, ob man mich beobachtete oder nicht. Ich wollte einfach nur an sie heran.
Sie bewegte sich nicht, sodass ich nicht wusste, ob sie mein Klettern überhaupt wahrgenommen hatte.
Maxine dachte in diesem Augenblick zum Glück praktischer. Sie verschwand für einen Moment vom Fenster und kam schnell wieder zurück. »Hier, deine Jacke.«
»Danke.«
Sie war wichtig. Ich sah mich als normalen Menschen an. Ganz im Gegensatz zu der Person, die in der Kälte so dünn angezogen auf mich wartete. Tat sie das wirklich? Wollte sie mich locken?
Wollte sie sich stellen? Hatte sie das vielleicht gespürt, dass ihr Geschenk nicht mehr existierte? Da war alles möglich, und ich wollte sie fragen. Ich würde mich nicht provozierend verhalten, deshalb streifte ich nach den ersten Schritten die Kette über den Kopf und steckte das Kreuz wieder in meine Tasche.
Der Rasen war hart gefroren. Jeden Grashalm hatte es erwischt.
Da kam mir der Boden unter meinen Füßen wie ein widerborstiger Teppich vor.
Der Abend war so still wie sonst nur die Nacht. Die Kälte schien alles Leben verscheucht zu haben.
Lilian wartete auf mich wie eine Figur. Der leichte Dunst umschmeichelte sie und schien an ihr festzukleben.
Das schwarze Haar hob sich deutlich ab. Von ihrem Gesicht sah ich nicht viel, nur der Körper war präsent. Ob sie eine Lilie in der Hand hielt, konnte ich auch nicht erkennen.
Etwas rieselte meinen Rücken hinab. Es war schon seltsam. Ich schwitzte trotz der Kälte, die mich umfing. Es war die innere Spannung, die dafür sorgte.
Lilian schätze ich als Feindin ein, aber ich wusste nicht, wie stark sie tatsächlich war. Die Blumen hatten dem Kreuz nicht widerstanden. Nun war ich gespannt, wie Lilian darauf reagieren würde.
Die Hälfte der Strecke hatte ich bereits geschafft. Noch immer bewegte ich mich über gefrorenes Gras hinweg. Allmählich drang bei mir die Überzeugung durch, dass ich es schaffen konnte und sehr nahe an sie herankam.
Von wegen!
Sie wusste genau, was sie tat. Es war schon überraschend für mich, als sie den rechten Arm anhob, als wollte sie mich grüßen.
Dann drehte sie sich auf der Stelle herum. Für einen Moment wandte sie mir den schutzlosen Rücken zu. Sekunden später war sie nicht mehr zu sehen. Da hatte sie der eisige Dunst verschluckt.
Ich beeilte mich und lief schneller, weil ich herausfinden wollte, wohin sie ging. Es war nicht möglich. Sie hatte ihren Vorsprung schon zu stark ausgeweitet.
Wenig später stand ich am Rand des Grundstücks, ballte die Hände vor Zorn, denn Lilian hatte sich abgesetzt. Ich glaubte, sie noch über eine freie Fläche laufen zu sehen, doch da konnte ich mich auch getäuscht haben. So blieb mir nichts anderes übrig, als mir die Richtung zu merken, in die sie gelaufen war.
»Keine Sorge, ich kriege dich schon noch!«, flüsterte ich. »Man sieht sich immer zwei Mal im Leben.«
Ich drehte mich um und ging den Weg zum Haus zurück.
Maxine und Carlotta standen im Zimmer des Vogelmädchens.
Trotz der Kälte hatten sie das Fenster nicht geschlossen, um mich besser beobachten zu können.
Ich kletterte wieder in den Raum und merkte erst jetzt, wie gut mir die Wärme tat.
»Und?«
Ich
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