135 - Madame La Roshs Marterhaus
konnte.
»Was hätte ich davon, Jenny, sag' selbst? Ich war
verärgert über sein Verhalten, über die Frechheit hier einzudringen. Aber es
wäre übereilt, ihn auf diese Weise zu töten. Er kann uns noch viel nützlicher
sein.«
»Das denke ich auch, Madame.« Jenny nickte. Ihr
dunkles, seidig schimmerndes Haar erinnerte an feine, gesponnene Seidenfäden.
»Man könnte ihn zum Reden bringen. Er ist bestimmt
nicht aus eigenem Interesse hier. Darüber hinaus kann er uns noch in einem
anderen Fall helfen. Wir werden ihn fragen, sobald er zu sich kommt, woher er
stammt. Wie die Dinge sich im Augenblick entwickeln, könnte dies nur von Vorteil
für uns sein.«
Elvira La Rosh atmete tief durch und fuhr fort: »Ich
muß lernen, meine Gefühle besser unter Kontrolle zu halten. Auf diese Weise,
wie ich beinahe gehandelt hätte, wäre uns möglicherweise Schaden entstanden.«
Sie stieg die Treppe nach oben, brachte das wieder
verschlossene Gefäß in den geheimnisvollen Raum zurück und ging dann wieder in
den Keller.
Wortlos griffen beide Frauen zu. Die eine nahm
Kunaritschew unter den Achseln, die andere packte seine Beine. Die
Verständigung funktionierte einwandfrei zwischen ihnen, als hätten sie diese
Aktion schon mehr als einmal durchgeführt.
Etwas Bemerkenswertes trat zutage: Jenny und Madame La
Rosh schienen überhaupt keine Schwierigkeiten damit zu haben, diesen Zweizentnermann
durch den Kellerkorridor zu schleppen...
Sie strengten sich nicht im geringsten dabei an!
*
Kunaritschew merkte von alledem nichts. Er befand sich
noch in tiefer Bewußtlosigkeit und wurde in einen kahlen Raum mit grobem
Verputz und grobgepflastertem Boden gebracht.
Der Keller war gesichert durch eine schwere Holztür
mit Eisenbeschlägen. In dem Raum gab es ein winziges, quadratisches Fenster,
das mit eng stehenden Eisenstäben gesichert war.
Das Fenster befand sich unmittelbar unterhalb der
Kellerdecke, und von hier aus war der Ansatz des langsam grün werdenden Rasens
zu sehen, der sich hinter dem Haus ausdehnte.
Schwarz und wie Elefantenbeine wirkten die Baumstämme,
die dahinter begannen.
Die beiden seltsamen Frauen ließen den hilflosen
Russen einfach los. Elvira La Rosh durchsuchte noch die Taschen des
Arbeitsanzuges, fand jedoch nichts.
Dann gingen sie und Jenny nach draußen und ließen
X-RAY-7 allein zurück.
»Wir werden ihn hier festhalten bis Samstag«, murmelte Madame. »Bis dahin werden wir einiges
über ihn und von ihm erfahren haben. Und dann wird er uns helfen - er wird das
Leben der Sloots dorthin tragen, woher er gekommen ist. So tut er uns
wenigstens noch einen Gefallen...«
*
Er schlug um sich wie ein Tier, das in einem Netz
gefangen war. Seine Situation ähnelte dieser auch auf frappierende Weise.
Die klebrigen Fäden ließen sich nicht lösen, sie gaben
nach wie Gummifäden und paßten sich jeder Bewegung an.
Larry Brent verfing sich immer mehr in den Fäden, die
auf ihn geschleudert wurden.
Sie kamen nicht von der Decke herab -sie kamen von
vorn.
Was er dort sah, stellte ihm die Haare zu Berg.
Vor ihm - eingeschmolzen in die Wand - stand ein
Mensch, eine junge Frau, die die nackten, schlanken Arme erhoben und die Hände
nach ihm ausgestreckt hielt.
Aus ihren farblosen Fingerspitzen wurden die Fäden
geschleudert. Die Frau, die dort stand, war dunkelblond und trug das Haar weit
geöffnet, auf die Schultern fallend. Ihre Haut war so fahl wie die Fäden, die
sie unablässig produzierte und die ihm entgegengeworfen wurden.
Die Haare selbst wehten wie Fäden unter einem
unhörbaren, unfühlbaren, wohl aber sichtbaren Wind. Das Gewand, das lose um
ihren schlanken, gut proportionierten Körper lautlos flatterte, schien
ebenfalls aus diesem Gewebe zu bestehen.
Der Körper zeigte wie ein Adergeflecht das grau-weiße,
an Schimmel oder einen wuchernden Pilz erinnernde Gespinst, wie er es auch in
der Haut von Tom Kellery gesehen hatte.
Im Bruchteil einer Sekunde nahm X-RAY-3 dieses
unheimliche, einmalige, schaurig-schöne Bild in sich auf, das aus einem Alptraum zu kommen schien. Ein Mensch, der eine
Spinne war, der Fäden wob, um den Feind damit einzuspinnen, bildete eine
Einheit mit der Wand neben dem Fenster...
Die Frau - das war Anne Sordan, das erste
Dienstmädchen von Madame La Rosh!
*
X-RAY-3 drehte sich um seine eigene Achse. Noch konnte
er sich bewegen, noch verfügten seine Arme und Hände über einen gewissen
Spielraum. Er ließ sich kurzerhand fallen, ehe ein
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